Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 1/06





1.5 Innovativer Ansatz der Weiterbildung

Die Weiterbildung zur „Lebensbegleitenden Beratung“ nach dem vorliegenden Curriculum ist ein innovativer Ansatz, der bislang in der Bundesrepublik Deutschland noch keine Entsprechung hat. In dieser Weiterbildung wird erstmals der Aspekt der „ganzheitlich-salutogenetischen Sicht“ einer Erkrankung mit dem Aspekt der „Selbstbestimmt-Leben-Philosophie“ verknüpft. Nach dieser Philosophie sind die Betroffenen ExpertInnen in eigener Sache und nehmen alle Entscheidungen, die sie betreffen, in die eigene Hand. „Behinderung“ wird aus einer bürger- und menschenrechtsorientierten Perspektive gesehen und wird nicht auf einen medizinisch-sozialen Blickwinkel verengt. Der Mensch mit Behinderung oder chronischer Erkrankung ist so immer „Subjekt“ mit dem gleichberechtigten Zugang zu allen Waren und Dienstleistungen einer Gesellschaft und kein „defizitäres Objekt“ im medizinischen System.

Eine Konsequenz aus dieser Verknüpfung ist auch, dass es bei der Weiterbildung nicht primär um eine Kompetenzerweiterung im ehrenamtlichen Bereich geht. Vorrangig sollen sich vielmehr neue berufliche Möglichkeiten für die AbsolventInnen ergeben.



1.6 Ganzheitliche Didaktik und Methodik

Entsprechend einem ganzheitlichen Verständnis der Erkrankung an MS wird auch die Durchführung der Weiterbildung im Sinne eines ganzheitlichen Lehrens und Lernens organisiert. Dies bedeutet, dass die einzelnen Weiterbildungsinhalte nicht isoliert voneinander stehen, sondern miteinander verknüpft sind und dass der Bezug zum eigenen Erleben und Handeln immer gegeben ist.

a) die Themenzelle


  Selbsterfahrung  
     
Praxisbezug   Theoriebezug
     
  MS-Bezug  

Selbsterfahrung bedeutet: Was hat das Thema mit mir zu tun? MS-Bezug bedeutet: Was hat das Thema mit MS zu tun? Theoriebezug bedeutet: Welche theoretischen Aussagen gibt es dazu? Praxisbezug bedeutet: Was hat das Thema mit meiner Beratungspraxis zu tun?

Das Modell der „Themenzelle“ ist dabei nicht statisch zu verstehen, sondern dynamisch. Alle vier Bezugspunkte nähern sich „pulsierend“ immer wieder an und entfernen sich auch immer wieder voneinander. Jede „Themenzelle“ lässt sich wiederum mit anderen „Themenzellen“ verknüpfen, sodass ein Geflecht von dynamisch miteinander arbeitenden Zellen entsteht.



b) Team -Teaching

Ganzheitliches Lehren und Lernen bedeutet auch, dass die AusbilderInnen vor und während der Ausbildung zusammen- und in den Seminaren als Team arbeiten. Da alle AusbilderInnen selbst mit Behinderung/chronischer Krankheit leben, ist hier ebenfalls ein Modell-Lernen möglich. Es wird mit flacher Hierarchie, sozusagen „auf gleicher Augenhöhe“ gearbeitet. Kernpunkte sind:






c) Methodik

Wichtig für die Methodik der Weiterbildung ist es, dass nur Methoden angewandt werden, die auch später in der Beratungsarbeit wiederholt werden können. Ausdrücklich wird auf therapeutische Methoden und Tiefung verzichtet. Es sollte außerdem wenige Frontalanteile mit starren Stundenplänen geben, sondern es wird vermehrt mit eigenständig entdeckenden, kreativen Methoden gearbeitet.



1.7 Barrierefreiheit in der Weiterbildung

Die Rahmenbedingungen der Weiterbildung orientieren sich an den Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) zur Barrierefreiheit. Alle gemeinsamen Weiterbildungseinheiten finden deshalb in barrierefreien Räumlichkeiten statt. Die Weiterbildungsmaterialien werden auf Wunsch in alternativen Formaten zur Verfügung gestellt. Die Fernstudienanteile können auch über das Internet organisiert werden unter Einbeziehung einer barrierefreien Homepage, die nach den Vorgaben der Barrierefreie Informationstechnik - Verordnung (BITV) gestaltet ist. Alle AusbilderInnen sind gehalten, ihren Unterricht barrierefrei nach den individuellen Bedürfnissen der TeilnehmerInnen zu gestalten.



1.8 Ziele der Weiterbildung

Die Weiterbildung zum/zur “Peer-CounselorIn“ erfolgt nach dem nachstehenden Lehrplan. Sie befähigt zur lebensbegleitenden Beratung MS-betroffener Menschen im Sinne des Peer-Counseling-Prinzips. Dies bedeutet vor allem, eine parteiliche Beratung durchzuführen, das heißt „parteilich“ im Sinne des/der Ratsuchenden vorzugehen und sich bei der Beratung nicht an eigenen Vorstellungen und/oder unerfüllt gebliebenen Zielen zu orientieren.



Die Ziele der Weiterbildung lassen sich folgendermaßen kennzeichnen:

  1. Erwerb eingehender Kenntnisse über die eigene Geschichte als MS-betroffene Person, über eigene Verarbeitungsstrategien und Beziehungsmuster; Erwerb eines hohen Maßes an Selbstreflektion durch Selbsterfahrung.
  2. Erwerb der Fähigkeit zur Durchführung von lebensbegleitender Beratung MS-betroffener Menschen im Sinne des Peer-Counseling.
  3. Erwerb eingehender Kenntnisse über ein ganzheitliches Verständnis der Erkrankung an MS, sowie über die Konzepte des „Selbstbestimmten Lebens“ und des „Empowerments“.
  4. Erwerb von Grundkenntnissen und Erfahrungen in Gesprächsführung und Beratungsinterventionen.
  5. Erwerb von Wissen, Kenntnissen und Handlungskompetenzen in wichtigen Bereichen menschlicher Lebenserfahrung.









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