FORUM PSYCHOSOMATIK

Zeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 21. Jahrgang, 2. Halbjahr 2011





Schmid, Gary Bruno:
Selbstheilung durch Vorstellungskraft
Springer-Verlag Wien, New York 2010, 349 S. 43,72 EUR
ISBN: 978-3-7091-0157-5

Der Psychoanalytiker und Atomphysiker Schmid hat aus Untersuchungen zu psychogenen Heilungen eine Bewusstseinsmedizin entwickelt, die sich mit den psychoimmunologischen Zusammenhängen der Vorstellungskraft befasst. In dieser Veröffentlichung werden zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zu Vorstellungskraft und Immunabwehr vorgestellt und diskutiert.

Vor allem aber entwickelt Schmid ein Programm aus sechs dramaturgischen Elementen (SDE) zur angeleiteten Aktivierung der eigenen Selbstheilungskräfte. Dabei spielen Entspannung und die Vorstellung eines sicheren Kraftortes, die Entwicklung von positiver Gewissheit, verbunden mit optimistischen Vorstellungen und die Entmystifizierung der Krankheit und ihrer Ursachen eine zentrale Rolle. Zusätzlich sind aber auch Therapiebündnisse, die Entwicklung eines persönlichen Selbstheilungsmythos und die Reinigung des Körpers in Imaginationen, bei denen entsprechende Körperanker installiert werden (eine Technik der medizinischen Hypnosetherapie) wichtig für den optimalen Erfolg.

Schmid ist überzeugt, dass Selbstheilung erlernbar ist. In weiteren Kapiteln beschreibt er die erforderliche, unterstützende innere Haltung von TherapeutInnen und erklärt die Grundlagen der medizinischen Hypnose, mit der die SDEMethode gut anwendbar ist. Anschließend wird die Anwendung von SDE an Fallbeispielen erklärt. Dabei wird die Entwicklung der individuellen Selbstheilungsmythen beschrieben, in denen Biographie, Musik, Bilder und Kreativität als wichtige Ressourcen genutzt werden können. Weiter wird die Installation von Körperankern in der medizinischen Hypnose genauer erklärt. Mit diesen Körperankern können imaginierte Erfahrungen von Selbstheilung immer wieder aufgerufen und körperlich erinnert werden. Nach detaillierter Entwicklung der persönlichen sechs dramaturgischen Elemente sollen diese Dramaturgien von Erkrankten mehrmals täglich aufgerufen werden, um die Selbstheilung optimal zu stimulieren.

Abschließend wird auf mögliche Fallen für PatientIn und TherapeutIn hingewiesen: Mit einer philosophischen Überlegung über unterschiedliche Modelle von Krankheit (Erregermodell der Krankheit versus Ressourcenmodell der Gesundheit) geht der Autor auch auf die Schuld-Frage ein, die sich stellen mag, wenn angenommen wird, dass durch die „richtige“ innere Einstellung Krankheit überhaupt vermieden oder doch geheilt werden könne. Schmid, der vielfach mit TumorpatientInnen gearbeitet hat, weist auf die Grenzen von Selbstheilung hin und benutzt als Metapher für die schicksalhafte, schuldlose Behaftung mit Krankheit und Siechtum das Wetter.

Dieser sehr ernsthafte, wissenschaftliche Band jenseits jeder Esoterik bietet einen guten Überblick über die aktuelle Selbstheilungsforschung und eine vorzügliche Anleitung zur praktischen Anwendung neuerer Erkenntnisse der Psychoneuroimmunologie. Er besticht durch übersichtlichen, stringenten Aufbau und die zahlreichen Beispiele für psychoneuroimmunologische Zusammenhänge. Fallbeispiele und hilfreiche Metaphern sind in Kästen abgesetzt und viele nette Aphorismen stehen an den Kapitelanfängen, auch einige Abbildungen von PatientInnenbildern ergänzen dieses inspirierende und ermutigende Buch. Leider beschreibt Schmid keine MS-Krankheitsgeschichten, jedoch sind seine Ausführungen leicht übertragbar und laden ein, eigene Heilungsmythen zu entwickeln.

Andrea Blätter







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