FORUM PSYCHOSOMATIK

Zeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 21. Jahrgang, 1. Halbjahr 2011

Sanfter Umbau des Gehirns

Meditation vermindert die Ausschüttung von Stress hormo nen und regt die Bildung neuer grauer Zellen an / Verschiedene Hirnregionen profitieren


Von Johann Caspar Rüegg

Meditation wirkt. Kaum ein Ereignis hat etwa auf die Beatles beim Schreiben ihrer Songs so unmittelbar inspirierend gewirkt, wie der Aufenthalt als Meditationsschüler im Ashram des Maharishi Mahesh Yogi in der herrlichen Natur am Fuße des indischen Himalayas. Das war in den späten 60er Jahren.

Heute praktizieren mehr und mehr Menschen die innere Sammlung durch Meditation auch privat. Aber den meisten steht weniger der Sinn nach Esoterik und transzendenter Sinnsuche; sie möchten einfach mit Stress und Alltagshektik besser fertig werden. Denn Meditation reduziert Stress.

Bereits Anfang der siebziger Jahre fanden Forscher der Harvard Universität heraus, dass Meditation nicht nur den Blutdruck senkt und den Sauerstoffverbrauch drosselt, sondern auch Geist und Körper entspannt. Eine solche Entspannungsreaktion sei eben das „Gegenstück der Stressreaktion“ und könne so „vor den krank machenden Folgen von übermäßigem Stress schützen“, sagt Jon Kabat-Zinn in seinem Buch „Gesund durch Meditation“ Der amerikanische Molekularbiologe und buddhistische Meditationslehrer hat das grundlegende Übungsprogramm zur Entspannung und Stressreduktion entwickelt. Damit können Meditierende lernen, sich in einen Zustand der Achtsamkeit zu versetzen, also des gleichmütigen Gewahr-Werdens von körperlichen Vorgängen wie das Ein- und Ausatmen, aber auch von Sinneseindrücken, Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen. Inzwischen hat Stressbewältigung durch Meditation und Achtsamkeit weltweit auch Einzug in medizinische Einrichtungen gefunden.

Wer Achtsamkeitmeditation praktiziert, wird gelassener, die Wahrnehmungen von Stress wird reduziert. Dieser heilsame Effekt dauert auch nach der Meditation noch lange an. Warum ist das so? Auf den Punkt brachte es der Giessener Psychologe und Meditationslehrer Ulrich Ott kürzlich in Berlin auf dem Interdisziplinären Kongress zur Meditation- und Bewusstseinsforschung: „Meditation verändert Hirnstrukturen“.

Somit scheinen sich Vermutungen zu bewahrheiten, die Richard Davidson, Professor der Psychologie in Madison, Wisconsin, schon vor Jahren äußerte. Der US-Neurowissenschaftler ließ 24 gestresste Frauen und Männer ein achtwöchiges Meditationstraining in „Achtsamkeitsbasierter Stressreduktion“ absolvieren. Noch lange nach der Schulung fühlten sich die Meditierenden entspannter, weniger gestresst. Und ihre Gehirnfunktion hatte sich ebenfalls nachhaltig verändert.

So waren noch vier Monate nach dem Meditationstraining die Hirnströme der Kursteilnehmer im linken Stirnhirn etwas ausgeprägter als vor dem mentalen Training, während die Aktivität im rechten Stirnhirn deutlich reduziert war. Laut Davidson lassen sich offenbar Gelassenheit und ein positiv gestimmtes, ausgeglichenes Gemüt durch Meditationsübungen trainieren, quasi erlernen – im Prinzip wie jonglieren oder Klavierspielen. Aber: Wie ändert sich dabei die Struktur des Gehirns? Und wo im Gehirn verändert sie sich? Das sind Fragen, die heute mit Bildgebenden Verfahren beantwortet werden können – vor allem dank der Magnetresonanztomographie, die es ermöglicht, Veränderungen in der grauen Substanz des Gehirns – unseren „grauen Zellen“ - millimetergenau zu lokalisieren und zu quantifizieren. Beispielsweise beobachtete man „einen Substanzabbau im rechten Mandelkern (Amygdala), der signifikant mit dem (verminderten) Stress - erleben zusammenhing“. So resümiert Ulrich Ott in seinem Buch „Meditation für Skeptiker“ das Ergebnis einer Aufsehen erregenden Studie seiner Kollegin Britta Hölzel mit Sara Lazar von der Harvard Medical School.






voriger Artikel ** letzter Teil
FP-Gesamtübersicht
Startseite