Nach Ansicht von Ärzten wie Yavus Yildirim-Fahlbusch, Chefarzt der Medizinischen Klinik Lübbecke, kommt es aufgrund der Missverständnisse in Bezug auf Beschreibungen und Begriffe, aber auch auf Mimik und Gestik bei Migranten häufiger als bei deutschen Patienten zu „Fehldiagnosen und unangemessenen Therapien, die in problematische Krankenkarrieren münden“.

In Regionen mit überdurchschnittlich hohem Ausländeranteil sind die Probleme besonders virulent. Laut einer Studie der Berliner Universitätsfrauenklinik gab fast die Hälfte der Befragten mitMigrationshintergrund an, die Informationen der Ärzte und Ärztinnen seien für sie unverständlich gewesen. Raimund Geene von der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheitsförderung spricht deshalb von einem „Trend zur Ausgrenzung ausländischer Patienten“. Und die ehemalige Berliner Ausländerbeauftrage Barbara John beklagt: „Was das Verstehenwollen von Migranten angeht, ist Deutschland eine Wüste.“

Es sind jedoch nicht nur Sprachprobleme und unterschiedliche Organchiffren, die zu Missverständnissen führen. Laut Gün haben Patienten aus dem islamischen Kulturkreis häufig ein anderes, ganzheitlicheres Verständnis von Schmerz und Krankheit. Da führt schon die simple Frage, wo es denn weh tue, in die Irre. Die Antwort lautet dann meist: „Überall“ oder „Mein Kind ist alles krank“. „Eine lokalisierte Erkrankung, die nicht die gesamte leiblich-seelische und soziale Befindlichkeit des Betroffenen in Mitleidenschaft zieht, ist unvorstellbar“, sagt auch Yildirim-Fahlbusch. Außerdem könnten viele Migranten schon aufgrund mangelnder Anatomiekenntnisse die differenzierte Beschreibung der Beschwerden, die ein deutscher Arzt erwarte, nicht liefern.

Hinzu kommt, dass zum Beispiel im türkischen Kulturkreis die Frage nach der Krankheitsursache von größerer Bedeutung ist als deren diagnostische Einordnung. „Krankheit stellt ein bedrohliches Ereignis dar“, so Yildirim-Fahlbusch. Denn die Ursachen von körperlichen und seelischen Störungen liegen nach Ansicht der Betroffenen im Menschen selbst. „Leiden bedeutet eine Strafe und eine Prüfung Gottes“, stellt der Neurologe und Kinderarzt Professor Fuat Aksu von den Vestischen Caritas- Kliniken in Datteln fest.







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FORUM PSYCHOSOMATIK 2/08