Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/07

Nach Antonovskys Theorie ist das sogenannte Kohärenzgefühl (sense of coherence = SOC) ein Indikator dafür, ob Menschen eher gesund bleiben oder eher krank werden. Kohärenz bedeutet Zusammenhang. Antonovsky unterteilt das Kohärenzgefühl in die Verstehbarkeit, die Handhabbarkeit und die Sinnhaftigkeit. Ohne auf die Einzelheiten der Theorie einzugehen, kann man sagen, dass Menschen mit einem hohen Kohärenzgefühl, also mit einem hohen SOC, in etwa von den Lebenseinstellungen „Das Leben ist lebenswert“ und „Ich schaffe das schon“ geprägt sind. Die in jedem Leben unvermeidlich auftretenden Probleme werden nicht als tragische Schicksalsschläge erlebt, sondern als Herausforderungen angenommen mit der Gewissheit, dass sie zu bewältigen sind.

Zur Messung des Kohärenzgefühls hat Antonovsky einen Fragebogen mit 29 Fragen „zur Lebensorientierung“ entwickelt. Nach Antonovsky spricht ein hohes Kohärenzgefühl, also ein hoher SOC, für gute Gesundheit und die Aussicht, gesund zu bleiben. Ein extrem hoher SOC ist allerdings ein Anzeichen für einen Realitätsverlust oder Größenwahn der jeweiligen Person, weil er die Lebenseinstellung „Ich habe alles im Griff“ spiegelt.

Bei der Frage, wie sich das Kohärenzgefühl steigern ließe, war Antonovsky pessimistisch. Er sah kaum Möglichkeiten dafür. Die meisten Aussichten auf Erfolg räumte er Maßnahmen ein, die Einflussnahme und Teilhabe ermöglichen, also Maßnahmen, die Handlungsspielräume erweitern. (An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass wir genau in diese Richtung mit den derzeit durchgeführten Empowerment-Trainings der Stiftung LEBENSNERV zielen: Wir wollen die Handlungsspielräume der Betroffenen erweitern, indem sie mehr Bewusstsein von und Zugang zu ihren Stärken, Kompetenzen und Ressourcen bekommen.)


Die strukturelle Dimension:
Patientenbeteiligung

Hinsichtlich der Patientenbeteiligung werden drei Ebenen unterschieden: die Makro-, die Mesound die Mikroebene.
Makroebene = politische Ebene
Auf der politischen Bühne werden Betroffene seit 2004 unter dem Stichwort „Patientenbeteiligung“ in die Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses einbezogen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Er bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV erstattet werden.

Hier ergibt sich das Problem, dass die Betroffenen zwar eine Beratungsfunktion haben, aber sie haben kein Stimmrecht und bekommen im Gegensatz zu anderen Mitgliedern des G-BA keine angemessene Aufwandsentschädigung. So ist eine gleichberechtigte Kommunikation auf einer Augenhöhe nicht möglich.

Mesoebene = Ebene der Institutionen

Um die Eigenverantwortung der Betroffenen zu stärken, wurde die, „Unabhängige Patientenberatung Deutschland –UPD“ flächendeckend eingeführt. Bundesweit gibt es inzwischen 22 Beratungsstellen der UPD.

Die UPD ist zwar unabhängig von Krankenkassen oder ÄrztInnen, die Betroffenen sind jedoch Objekte der Beratung und nicht als Beratende nach dem Peer-Counseling-Prinzip tätig. So ist ein Perspektivenwechsel oder eine tatsächliche Patientenbeteiligung nicht zu realisieren.

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