Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/06




4.2. Anwendungsfelder des „Empowerment-Konzeptes“

Das „Empowerment-Konzept“ findet aktuell seinen Niederschlag in ganz unterschiedlichen Bereichen. Ich führe hier nur einige auf:


Management / Personalführung

Dort heißt es etwa: „Empowerment bedeutet, die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter zu stärken. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn Führungskräfte in der Lage sind, Verantwortung an die Mitarbeiter abzugeben.“ Im Unternehmensbereich werden also Seminare angeboten, die die MitarbeiterInnen qualifizieren und zum Beispiel: „Selbstbewusstseinstraining und positives Selbstmarketing“ heißen. Ein „Check-up“ der eigenen Potenziale wird erarbeitet, der eigene Typ, das eigene „Markenzeichen“ soll erkannt werden.


Interkultureller Bereich / MigrantInnenarbeit

Hier gibt es etwa in einem europäischen Programm Material zu einem politischen „Empowerment- Training“ von Minderheiten. Es soll der Diskriminierung von MigrantInnen entgegengewirkt werden.


Entwicklungszusammenarbeit

In der Entwicklungszusammenarbeit versteht man unter Empowerment den Ansatz, keine kolonialistische Entwicklungsarbeit von „oben herab“ zu betreiben, sondern sich an den Interessen der benachteiligten Bevölkerungsgruppen zu orientieren.


Frauenarbeit

Beispielhaft sei hier der Punkt „Empowerment gegen Männergewalt“ genannt, bei dem Bildungsund Gruppenarbeit mit Frauenhausbewohnerinnen gemacht wird.


Soziale Arbeit

Dies ist der klassische Bereich, in dem der „Empowerment-Ansatz“ Eingang gefunden hat – in der Beziehung „Profi – KlientIn“. Damit ist die Abkehr von ExpertInnen gemeint, die im Besitz der alleinigen Lösungskompetenz sind. Es geht in Richtung Kooperation, Partnerschaft und um eine „Begleitung“ zu den eigenen Lösungen der KlientInnen.


Medizin/Pflege

In der Ausgabe 2/2005 von FORUM PSYCHOSOMATIK haben wir das Thema der Kommunikation zwischen Medizin-Profis und Menschen mit MS aufgegriffen und auch das Modell des „Shared Decision Making“ benannt. In dem sehr hierarchisierten Medizinbereich kommt das Empowerment-Modell aber auch allmählich an, wie neuere Buchveröffentlichungen, etwa „Empowerment statt Krankenversorgung. Stärkung der Prävention und des Case Management“ beweisen. Das Konzept der Patientenkompetenz, das wir in dieser Ausgabe vorstellen, geht in eine ähnliche Richtung.


Behindertenarbeit

Natürlich hat das Konzept auch hier seine Spuren hinterlassen, sei es in der „Selbstbestimmt Leben Bewegung“ oder auch in der Bewegung behinderter Frauen. Außerdem wird es in der Arbeit mit psychisch kranken Menschen diskutiert und – besonders heftig – im Bereich der Arbeit mit Menschen, die man häufig geistig behindert nennt. In der Arbeit mit körperbehinderten SchülerInnen beim Übergang von Schule und Beruf gibt es ein Projekt „Empowerment und selbstbestimmte Mobilität“ und nicht zuletzt im Bereich MS gibt es Bemühungen von der Stiftung LEBENSNERV.


Verwandte Begriffe und Konzepte

Nun stammt der moderne Begriff des „Empowerment“ aus dem Bereich der Psychologie und der Sozialarbeit. Es gibt aber in anderen Bereichen, etwa der Medizin, vergleichbare Begriffe und Konzepte. Nur ein Jahr vor Rappaport veröffentlichte der amerikanisch-israelische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky 1979 sein Konzept der „Salutogenese“ (vgl. dazu FORUM PSYCHOSOMATIK 2/2004). Er fragte sich, welche Kräfte es sind, die Menschen gesund erhalten und fand generalisierte Widerstandsressourcen. Damit sind potentielle Ressourcen gemeint, die eine Person mobilisieren kann. Zentraler Begriff ist das sogenannte „Kohärenzgefühl“, ein Gefühl der „Sinnhaftigkeit“ und „Bewältigbarkeit“ des eigenen Lebens.

Eng verbunden mit dem „Salutogenese-Konzept“ sind die gesundheitspsychologischen Forschungen zur „Resilienz“ (Widerstandsfähigkeit) etwa bei Kindern. Auch hier wird der Frage nachgegangen, wie manche Kinder im Vergleich zu anderen schwierige Lebenssituationen meistern, was Kinder oder Menschen generell „stark“ macht, über welche Ressourcen sie verfügen. Das Resilienz- Konzept beinhaltet auch wieder die Sichtweise vom Kind /vom Menschen als aktivem „Bewältiger“ und Mitgestalter seines eigenen Lebens.

In einem eher gesundheitspolitischen Bereich finden wir die verwandten Konzepte von „Selbstbestimmung“, „Selbstvertretung“, „Selbsthilfe“ oder noch allgemeiner von „Autonomie“ und „Emanzipation“. Selbst in der offiziellen deutschen Behindertenpolitik sprechen die Verantwortlichen von einem „Perspektivenwechsel vom Objekt zum Subjekt“ und erkennen die Kompetenz der „ExpertInnen in eigener Sache“ an.


5. Kann man Empowerment lernen?

Die spannenden Fragen sind nun: „Kann man Empowerment lernen?“ Und wenn ja – „Wie geht das?“ Die erste Frage wird von uns und auch in der Literatur mit einem klaren „Ja“ beantwortet – empowerment ist erlernbar. Das Wie? ist dann schon schwieriger zu beantworten. Ich habe dazu einige Anregungen gesammelt. Ganz allgemein finden sich in der Literatur folgende Prinzipien zur Erlernung von Empowerment:


Prinzipien:

An dieser Stelle eine kurze Nebenbemerkung zur oft unterschätzten Ressource des „Lachens“. „Lachen, das heißt, ich habe meine Angst überwunden, ich bin frei im Denken“ (Schmidgunst). Im Buch „Der Name der Rose“ geschehen Morde in einem Kloster wegen eines Buches von Aristoteles über das Lachen, das den Mönchen von der Klosterobrigkeit verboten war. Und im „Zirkus Konzentrazani“ brachten die KZ-Häftlinge mit Galgenhumor ihre geistige Überlegenheit über ihre Peiniger zum Ausdruck. Zu Lehrmethoden habe ich auch einige Hinweise gesammelt:





erster Teil
letzter Teil
FP-Gesamtübersicht
Startseite