Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 1/06
Konsequenzen und Perspektiven

Die erste Weiterbildung zu Peer-CounselorInnen ist abgeschlossen. Die Absolventinnen
haben zum Teil schon eine neue berufliche Perspektive im Beratungsbereich gefunden,
sind in der Online-Beratung tätig oder sind einfach auf dem Weg, sich beruflich
neu zu orientieren.
Aus den Erfahrungen mit der Weiterbildung und der Auswertung der Begleitforschung ergeben
sich verschiedene Konsequenzen und Perspektiven:

1. Entwicklung von Studienbriefen
Die Teilnehmerinnen der Weiterbildung äußerten, dass sie sehr viele Bücher lesen mussten,
von denen jeweils nur Teile wirklich wertvoll für die Weiterbildung waren. Bislang mangelt es an
passgenauer Literatur für eine Weiterbildung zu Peer-CounselorInnen.Deshalb ist es sinnvoll,
Studienbriefe zu entwickeln. Wenn die MS-spezifischen Inhalte darin durch andere Krankheiten oder
Behinderungen ersetzt werden, sind solche Studienbriefe auch für eine
Peer-Counseling-Weiterbildung anderer Selbsthilfeorganisationen einsetzbar.

2. Ausbildung weiterer Peer-CounselorInnen
Nach der Entwicklung der Studienbriefe sollten diese in einem weiteren Modellprojekt getestet
werden. So kann dem ungedeckten Beratungsbedarf MS-betroffener Menschen weiter entgegengewirkt
werden. Außerdem können MS-Betroffene durch diese Weiterbildung eine weitere Qualifikation erwerben. InteressentInnen für einen Folgekurs gibt es bereits.

3. Empowerment-Training

Während der Weiterbildung war es sehr deutlich, wie das Selbstbewusstsein und die positive
Lebenseinstellung der Teilnehmerinnen zunahmen. Solche Erfahrungen sollten möglichst vielen
MS-Betroffenen ermöglicht werden, ohne sie alle zu BeraterInnen auszubilden. Deshalb hat die
Stiftung LEBENSNERV mit Unterstützung des Bundesministeriums für Gesundheit ein Curriculum für ein
Empowerment-Training für MS-Betroffene entwickelt. Künftig sollen Empowerment-Kurse durchgeführt
und wissenschaftlich beforscht werden.

4. Beratungsstelle für Menschen (insbesondere MigrantInnen und AussiedlerInnen)mit MS
Weder das deutsche Gesundheitssystem noch die hiesigen Selbsthilfeorganisationen sind auf
die in Deutschland lebenden rund sieben Millionen MigrantInnen und über fünf Millionen AussiedlerInnen
eingerichtet. So gibt es Verständnisschwierigkeiten, die durch
sprachliche Barrieren bedingt sind. Außerdem haben Gesundheit und Krankheit in verschiedenen
Kulturkreisen eine unterschiedliche Bedeutung. Deshalb ist der Umgang
mit der eigenen Erkrankung oder mit kranken Familienmitgliedern bei MigrantInnen und AussiedlerInnen
häufig anders als bei den deutschen MitbürgerInnen. So wird eine Erkrankung oft zunächst
versteckt und schamhaft verborgen. Wenn sich eine Behinderung nicht mehr übersehen lässt, ist
Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben eine häufige Reaktionsweise. Die Betroffenen fühlen
sich minderwertig und werden von ihren Familien zwar versorgt, aber gleichzeitig versteckt und nicht
mehr als vollwertig akzeptiert. Da einige der ausgebildeten Peer Counselorinnen außerdem
neben Englisch- und Französischkenntnissen über weitere umfangreiche
Sprachfähigkeiten verfügen (Russisch, Serbisch, Kroatisch, Bosnisch, Türkisch) bietet sich der
Aufbau einer Modell-Beratungsstelle für MS-Betroffene mit undohne Migrations-/Aussiedlungshintergrund
in Berlin an.

5. Realisierung
All diese skizzierten Projekte befinden sich derzeit noch in der Entwicklungsphase.
Momentan fehlt es insbesondere an einer gesicherten Finanzierung. Die Suche danach
geht aber unvermindert weiter, so dass über kurz oder lang sicherlich das eine oder andere der
Projekte realisiert werden kann.


Sigrid Arnade
H.- Günter Heiden
Anne-Marie Kadauk








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