Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/01

Teil 3: "Neues aus der Forschung"

Leiden am Arzt - Wie die Sprache von Medizinern Patienten verletzen und sogar in Todesangst versetzen kann

(Frankfurter Rundschau vom 17. Juli 2001)

Bei diesem Artikel handelt es sich nicht um eine Studie, sondern um einen Hintergrundbericht zum Thema "Sprache von Medizinern" von Harald Gesterkamp, der zur oben beschriebenen Studie passt. Daraus ein kurzer Auszug:

"Unbedachte Wortwahl von Ärzten kann für Patienten ... zum Horror-Erlebnis werden. Längst nicht jeder Mediziner nimmt sich Zeit, Diagnosen sachlich und exakt mitzuteilen, sowie Heilungsmöglichkeiten gemeinsam mit dem Patienten zu besprechen. Gerade wenn es darum geht, schlimme Diagnosen wie Krebs mitzuteilen, geraten Ärzte in Schwierigkeiten. Oft fangen sie an zu stottern oder flüchten sich in Andeutungen oder Spekulationen. ‚Auch in schwierigen Gesprächen sollte ein Arzt seinen Charakter nicht verändern, sondern sprechen und handeln wie immer. Dem Patienten fallen die Widersprüche sonst auf ', sagt der Heidelberger Psychologe Hans-Dieter Hermann. ‚Das gilt erst recht, wenn ein Arzt beruhigt, eine Krankheit sei nicht so schlimm, aber dann eine lange Liste von Maßnahmen vorschlägt.' Grundsätzlich sei es die Aufgabe des Mediziners, in der Gegenwart die Lebensgeister zu wecken, nicht aber vage Prognosen anzustellen, was in einem Jahr sein könnte.

Während mancher Arzt während des Gesprächs aus Verlegenheit gleichzeitig schreibt, um den Patienten nicht anschauen zu müssen, fordert Hermann den Arzt auf, keine Diskrepanz zwischen Körpersprache und gesprochenem Wort zuzulassen. Absolute Tabus müssten auch neben Arroganz und Unschlüssigkeit bestimmte Formulierungen sein, die ‚krank vor Angst' machen könnten. Das Wort ‚Frühstadium' gehört dazu, weil es ohne zuverlässige medizinische Diagnose Angst weckt; ebenso der voreilige Satz ‚Im schlimmsten Fall könne es ein Tumor sein.' Denn dieser Schreckensbegriff löst bei den meisten Patienten Todesangst aus; sie sind dann meist nicht mehr in der Lage, weiteren Ausführungen überhaupt nur zuzuhören."

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