FORUM PSYCHOSOMATIK

Zeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 24. Jahrgang, 2. Halbjahr 2014

Kooperationsprojekt: Handlungskompetenz vermitteln

Die Stiftung LEBENSNERV hat in den Jahren 2013/2014 in Zusammenarbeit mit der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) eine Weiterbildung zur Empowerment-TrainerIn durchgeführt. Die Grundlage dafür bildete das Curriculum der Stiftung LEBENSNERV. Jetzt wurden die Zertifikate an die TeilnehmerInnen verliehen. Ein Rückblick:

Die Vorgeschichte

Bereits Ende 2005 / Anfang 2006 hatte die Stiftung LEBENSNERV mit Hilfe einer Förderung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ein Curriculum für ein Empowerment-Training für MS-Betroffene entwickelt1. In den Jahren 2007/2008 wurden von LEBENSNERV (ebenfalls BMG-gefördert) zwei Staffeln eines Empowerment-Trainings durchgeführt. Unter dem Titel „MeineStärken entdecken!“ konnten für jeweils ca. 12 TeilnehmerInnen mit Multipler Sklerose (MS), die aus mehreren Bundesländern anreisten, die Erfahrung einer veränderten Eigenwahrnehmung möglich gemacht werden. Damit konnten die Ziele einer selbstbestimmteren Lebensgestaltung und die Stärkung von Selbstvertretungs- und Selbsthilferessourcen realisiert werden.

Die Empowerment-Trainings der Jahre 2007/2008 wurden von LEBENSNERV bereits intern evaluiert. Dabei zeigte sich eine hohe Zufriedenheit mit den durchgeführten Trainings1. Die erste Staffel aus dem Jahr 2007 wurde darüber hinaus auch extern wissenschaftlich durch einen Salutogenese-Fragebogen2 (SOC-Test nach Antonovsky) begleitet. Diese wissenschaftliche Begleitung wurde im Jahr 2008 von Prof. Dr. Gisela Hermes von der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen durchgeführt3. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass durch das Empowerment-Training der Stiftung LEBENSNERV eine deutliche Steigerung des SOC gegenüber einer Kontrollgruppe feststellbar war.

Im Rahmen einer Diplomarbeit im Bereich Erziehungswissenschaften der Justus-Liebig-Universität in Gießen1 konnte die Autorin, Ute Carolin Pfeiffer, im Jahr 2009 aufzeigen, dass alle TeilnehmerInnen der von ihr untersuchten ersten Staffel auch noch ein Jahr nach dem Training „sehr zufrieden“ mit dem Training waren und angaben, dadurch zu einem selbstbestimmteren Leben, der Verbesserung ihrer Lebensqualität und der Steigerung ihrer Handlungskompetenz gekommen zu sein.

Es gibt zu wenig TrainerInnen

Eine zentrale Problemstellung für ein erweitertes und kontinuierliches Angebot an Trainingskursen ist jedoch, dass es an geeigneten TrainerInnen mangelt, die ein solches Empowerment-Training auch für behinderte Menschen oder auch für andere chronisch kranke Menschen anbieten können. Bislang gab es nur wenige Trainerinnen, die Erfahrung in diesem speziellen Bereich von Behinderung / chronischer Krankheit aufweisen. Um mittelfristig aber über einen ausreichenden Pool von Empowerment-TrainerInnen verfügen zu können, hielt die Stiftung LEBENSNERV die Ausbildung von Empowerment-TrainerInnen für unerlässlich. Sie entwickelte deshalb im Jahr 2010 einen Lehrplan zur Ausbildung von Empowerment-TrainerInnen.

Zusammen mit der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) hat die Stiftung LEBENSNERV den vorliegenden Lehrplan in der Praxis getestet und aufgrund der Erfahrungen angepasst, sodass jetzt ein maßgeschneiderter Lehrplan vorliegt. "Den Lehrplan verstehen wir als ein spezielles Angebot zur Nachahmung für Selbstvertretungs- und Selbsthilfeverbände", betont ISL-Geschäftsführerin und Stiftungsvorsitzende Dr. Sigrid Arnade, "denn das Konzept des Empowerments für ein persönliches Wachstum behinderter Menschen wird einerseits immer bedeutender, andererseits gibt noch zu wenige ausgebildete Trainerinnen und Trainer. Das wollten wir ändern."

Lehrplan wurde aktualisiert

In den vergangenen Monaten hatte die ISL dann einen ersten Ausbildungskurs auf Basis des LEBENSNERV-Lehrplans durchgeführt. Neben theoretischen Ausführungen zum Empowerment-Konzept wird in diesem Lehrplan der Rahmen der Ausbildung wie etwa die Bewerbung, die Zulassung und der Abschluss dargestellt. Kern ist jedoch der exakte Plan für die Durchführung der fünf Wochenendseminare und der ganzen Selbsterfahrungswoche. In dieser Woche geht es um die eigene Behinderungs- oder Krankheitsgeschichte, um Diagnoseverarbeitung, Umgang mit Diskriminierungserfahrungen, Körpergefühl und Selbstbehauptungsübungen. Die Wochenendseminare widmen sich Themen wie Kommunikation, Selbstbestimmung, Selbstvertretung, Arbeit mit Gruppen sowie Kursplanung und Didaktik.

Dieser Lehrplan mit dem ausführlichen Titel "Handlungskompetenz vermitteln. Persönliches Wachstum anleiten. Selbsthilfepotenziale stärken." wurde im Rahmen des Kurses aktualisiert und steht als barrierefreie pdf-Datei oder als Printausgabe (für 1,50 Euro plus Versandkosten) bereit.

Finanziell gefördert wurde die Ausbildung sowie die Aktualisierung und der Druck des Lehrplans durch das Bundesministerium für Gesundheit und durch die Hertie-Stiftung.





voriger Artikel ** nächster Artikel
FP-Gesamtübersicht
Startseite