FORUM PSYCHOSOMATIK

Zeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 21. Jahrgang, 2. Halbjahr 2011

Medizin und Spiritualität
Gesunder Geist

Die ganzheitliche Betrachtung von Gesundheit und Krankheit erfordert einen weiteren Horizont als ihn die Schulmedizin bieten kann.


von Norbert Schnorbach

Immer wieder kommt die moderne naturwissenschaftliche Medizin in Erklärungsschwierigkeiten. Wieso wirken Placebos, obwohl sie keinen Wirkstoff enthalten? Wie kommt es zu unerklärlichen Spontanheilungen bei Krebs? Warum können Rituale und Berührungen nicht nur trösten, sondern auch heilen? Warum sind religiöse Menschen laut Statistik gesünder? Wie beeinflussen Geist, Seele, Psyche oder Qi die materiellen Körperfunktionen?

Auf diese Fragen geben Pharmazie und Hightech-Medizin keine Antworten. Weder Doppelblindstudien noch Computertomographien liefern Erklärungen. Die westliche Medizin, so bewundernswert ihre Errungenschaften und Erkenntnisse über die physikalischen, chemischen und biologischen Körperfunktionen auch sind, stößt an ihre Grenzen. Was aber liegt jenseits dieser Grenzen?

An der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat die medizinische Fakultät begonnen, weitere Dimensionen der Medizin zu erforschen und damit Neuland betreten. Sie hat die erste deutsche Professur für Spiritualität in der Medizin eingerichtet. Es könnte ein Modell werden, um die Ausbildung von Medizinern vielseitiger zu machen. Die Medizin müsse anerkennen, meint der Münchner Uni-Professor Dr. Eckhard Frick, „dass der Mensch aus der Summe ‚Körper plus x’ besteht“. Dieses x, die Unbekannte, werde in den Kulturen der Welt unterschiedlich benannt, als Geist oder Seele oder Lebensenergie zum Beispiel. Das mache deutlich, dass Medizin mehr sei als nur eine aufs Materielle gerichtete Naturwissenschaft.

Heilende Kraft

Was hierzulande von Skeptikern verneint wird, gilt in vielen Kulturen als selbstverständlich. Spiritualität und Medizin sind beispielsweise in allen asiatischen Medizintraditionen eng miteinander verknüpft. Tibetische Medizin ist ohne spirituelle Dimension undenkbar. Nach den Worten des Dalai Lama gibt es keinen Zweifel, dass diese spirituelle Medizin „ganz wesentlich dazu beitragen kann, den Geist und den Körper gesund zu erhalten“ – wobei es nach seinen Worten an der Zeit ist, „die Verbindung zum Westen zu knüpfen und den Austausch mit der naturwissenschaftlichen Medizin zu suchen“.

Ähnlich verhält es sich bei der indischen Ayurveda-Medizin und bei den alten Traditionen der chinesischen Medizin. Gesunde Lebensführung und Heilung von Krankheiten haben dort selbstverständlich eine körperliche und eine geistige Ebene. Vielleicht ist es genau diese Seite der asiatischen Heilkünste, die sie für aufgeklärte Europäer so attraktiv macht. Yoga erlebt einen bemerkenswerten Aufschwung im Westen, obwohl – oder weil – die Übungen neben der Bewegung eine starke spirituelle Dimension haben.

Auch in der europäischen Medizin ist Spiritualität keineswegs unbekannt. Wenn sich homöopathische Arzneimittel den Naturgesetzen (oberflächlich betrachtet) entziehen, wenn anthroposophische Mediziner die Bedeutung von Krankheiten für die Persönlichkeitsentwicklung hervorheben, wenn ein Pfarrer namens Kneipp die Immunkräfte des Leibes ganz unkonventionell und ohne Pharmaindustrie stimulierte, dann ist allen diesen Beispielen gemeinsam, dass sie die Formel „Körper plus x“ ernst nehmen. Hinzu kommen die Wirkungen des Zwischenmenschlichen (etwa bei einem vertrauensvollen Verhältnis zwischen Arzt und Patient), des Berührens („Behandelns“) und der Psyche des Kranken selbst.

Überzeugten Christen ist es durchaus vertraut, dass über wundersame Heilungen berichtet wird, dass Blinde wieder sehen und Lahme wieder gehen. Bis zum heutigen Tag sind in der katholischen Kirche Wunderheilungen ein Grund für Heiligsprechungen. Wallfahrtsorten wie Lourdes werden heilsame Wirkungen zugeschrieben. Und selbst in der rationalen Medizin gibt es unerklärliche Spontanheilungen von Todkranken. Sie geben Anlass zu vielen Fragen und sind Gegenstand von Forschungsarbeiten.

Seriöse Unterscheidung

Was hierzulande von Skeptikern verneint wird, gilt in vielen Kulturen als selbstverständlich. Spiritualität und Medizin sind beispielsweise in allen asiatischen Medizintraditionen eng miteinander verknüpft. Tibetische Medizin ist ohne spirituelle Dimension undenkbar. Nach den Worten des Dalai Lama gibt es keinen Zweifel, dass diese spirituelle Medizin „ganz wesentlich dazu beitragen kann, den Geist und den Körper gesund zu erhalten“ – wobei es nach seinen Worten an der Zeit ist, „die Verbindung zum Westen zu knüpfen und den Austausch mit der naturwissenschaftlichen Medizin zu suchen“.

Ähnlich verhält es sich bei der indischen Ayurveda-Medizin und bei den alten Traditionen der chinesischen Medizin. Gesunde Lebensführung und Heilung von Krankheiten haben dort selbstverständlich eine körperliche und eine geistige Ebene. Vielleicht ist es genau diese Seite der asiatischen Heilkünste, die sie für aufgeklärte Europäer so attraktiv macht. Yoga erlebt einen bemerkenswerten Aufschwung im Westen, obwohl – oder weil – die Übungen neben der Bewegung eine starke spirituelle Dimension haben.





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