FORUM PSYCHOSOMATIK

Zeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 21. Jahrgang, 1. Halbjahr 2011

Achtsamkeitsmeditation kann bei MS
gegen Müdigkeit und Depressionen helfen

Das Erlernen von „Mindfulness Meditation“ (Achtsamkeitsmeditation) kann Menschen mit Multipler Sklerose (MS) helfen, die mit den häufigen Begleiterscheinungen der Krankheit wie Müdigkeit, Depressionen oder anderen Symptomen zu kämpfen haben. Dies ergab eine Studie aus dem Universitätsspital Basel, die am 28. September 2010 in „Neurology“, der medizinischen Zeitschrift der American Academy of Neurology erschienen ist. Hauptautor und Leiter der Studie, die in enger Zusammenarbeit mit dem MS-Zentrum an der Neurologischen Klinik und Poliklinik stattfand, war Dr. Paul Grossman von der Abteilung für Psychosomatik.

Während der Studie nahmen bei Patientinnen und Patienten, die an einem achtwöchigen Training in Mindfulness Meditation teilnahmen, die Müdigkeit und die Depressionen ab und die allgemeine Lebensqualität zu im Vergleich zu MS-Betroffenen, die konventionell medizinisch behandelt worden waren. Die positive Wirkung hielt mindestens sechs Monate an.

„Menschen mit MS haben oft mit speziellen Herausforderungen des Lebens zu kämpfen in Bezug auf ihren Beruf, finanzielle Sicherheit, Freizeit, soziale Aktivitäten und persönliche Beziehungen, ganz zu schweigen von den direkten Ängsten wegen der aktuellen oder möglichen zukünftigen Symptome und Behinderungen. Müdigkeit, Depressionen und Ängste sind häufige Folgen von MS“, sagt Dr. Paul Grossman. „Leider haben die Behandlungen, die den Krankheitsverlauf verlangsamen, nur wenig direkte Auswirkungen auf die allgemeine Lebensqualität, auf Müdigkeit oder Depressionen. Aus diesem Grund sind ergänzende Behandlungen, mit welchen sich die Lebensqualität rasch und direkt verbessern lässt, sehr willkommen.“

Für die Studie wurden 150 Personen mit milder bis moderater MS ausgesucht und erhielten nach dem Zufallsprinzip entweder das achtwöchige Meditationstraining oder die übliche medizinische Behandlung. Im Training konzentrierte man sich auf mentale und körperliche Übungen, um damit ein nicht-wertendes Gewahrsein für den gegenwärtigen Augenblick zu erreichen („Mindfulness“). Das Training dauerte zweieinhalb Stunden pro Woche und umfasste einen zusätzlichen ganzen Kurstag. Täglich musste zudem 40 Minuten lang zu Hause geübt werden.

„MS ist eine Krankheit mit unvorhersehbarem Verlauf“, erklärt Dr. Grossman. „Es kann den Betroffenen über Monate hinweg sehr gut gehen; dann haben sie einen Schub und können manchmal nicht mehr wie gewohnt arbeiten oder ihren familiären Pflichten nachkommen. Ein Training in Mindfulness kann Menschen mit MS helfen, mit diesen Veränderungen besser zurechtzukommen. Eine erhöhte Achtsamkeit im Alltag führt auch zu einem realistischeren Gefühl für die eigenen Kontrollmöglichkeiten sowie zu einer höheren Wertschätzung positiver Erfahrungen, die nach wie vor Teil des Lebens sind.“

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Mindfulness-Programm zeigten eine sehr hohe Präsenz an den Sitzungen (92%) und waren mit dem Training sehr zufrieden. Nur wenige (5%) brachen den Kurs vorzeitig ab. Bei jenen, die den ganzen Kurs absolvierten, verbesserte sich fast jedes gemessene Mass von Müdigkeit, Depression und Lebensqualität, während sich die meisten Werte bei Patientinnen und Patienten, die nur die übliche medizinische Behandlung erhielten, leicht verschlechterten. Bei Personen, die in Mindfulness geschult wurden, nahmen beispielsweise die depressiven Symptome um mehr als 30% ab im Vergleich zu den Testpersonen ohne dieses Training.

Die Verbesserungen bei den geschulten Testpersonen waren besonders ausgeprägt unter jenen Menschen, die zu Studienbeginn Anzeichen einer Depression oder chronischen Erschöpfung aufwiesen. Während zu Beginn des Trainings rund 65% der Testpersonen Symptome einer Depression, einer Angststörung oder chronischen Erschöpfung aufwiesen, war diese Gruppe am Ende des Trainings und sechs Monate später um etwa 30% kleiner. Auch der positive Effekt auf die Müdigkeit blieb von Kursende bis sechs Monate nach dem Training stabil.

Andere positive Auswirkungen des Trainings konnten zwar noch sechs Monate nach Ende der Schulung beobachtet werden, nahmen aber zumTeilmit der Zeit ab. Ein begleitender Kommentar in der Zeitschrift Neurology weist darauf hin, dass man wegen der fehlenden aktiven Kontrollgruppe (mit einer anderen Art von Intervention) nicht klar feststellen könne, ob die guten Ergebnisse eine direkte Folge der Achtsamkeitsschulung waren. Jedoch sei die vorliegende Studie die größte dieser Art, und sie sei sehr seriös durchgeführt worden.

Finanziell wurde die Studie unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds für die Wissenschaften, der Stanley T. Johnson Foundation, der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft sowie von Sanofi-Aventis, Merck Serono und Biogen Dompé.



Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Dr. Paul Grossman, Abteilung für Psychosomatik Universitätsspital Basel
Hebelstrasse 32, CH-4031 Basel
Telefon +41 61 265 25 25
www.universitätsspital-basel.ch

Quelle: Mediencommuniqué vom 27.9.2010 http://www. psychosomatik-basel.ch/deutsch/ publikationen/pdf/grossman_ms_ mindfulness_neurology_2010.pdf






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