FORUM PSYCHOSOMATIK

Zeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 20. Jahrgang, 2. Halbjahr 2010




Das Ergebnis stammt aus einer randomisierten, kontrollierten Studie, das heißt, es sind zwei Gruppen gebildet worden. Die einen haben das Interferon bekommen, die anderen haben ein Placebo bekommen, so wird es in klassischer Weise gemacht. Nach zwei Jahren hatten in der Placebogruppe 35 von 100 eine Verschlechterung der Beeinträchtigung. In der Interferongruppe waren es 22 von 100. Es ist einfach herauszukriegen, wie der Effekt ist: 22 zu 35 ist der Unterschied. Also 13 Personen weniger haben eine Progression gehabt, 13 von 100. Jetzt ist die Frage: wie kommen wir auf die 37 Prozent?

13 zu 35 ist die sogenannte relative Risikoreduktion, so wird das gerne dargestellt, wenn ich irgendwas verkaufen möchte. Der Unterschied zwischen 35 Prozent und 22 Prozent ist eben relativ 37 Prozent (Abb.6). Absolut sind es aber nur 13 Prozent, das heißt, 13 von 100, die behandelt werden, haben einen Effekt in Bezug auf die Verschlechterung der Beeinträchtigung. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie wir versuchen, Therapieeffekte darzustellen.

Daraufhin kam das häufige Argument „das kann man den Leuten so nicht sagen, sie nehmen dieses Immunmedikament und denken „oh super, eine Chance von 37 Prozent hört sich ganz gut an“ und wir sagen demnächst „das sind nur noch 13 Prozent in Wirklichkeit“ - damit machen wir ihnen doch Angst. Auch das haben wir nachgefragt: „beunruhigt mich das oder ermutigt mich das?“ Bei unterschiedlichen Polen wäre die Ermutigung ganz oben (Abb.7), ganz unten wären die Angst und die Beunruhigung. Man sieht, das Argument ist unbegründet, das Ergebnis ist deutlich im positiven Bereich – mit der Angst scheint es nicht so weit her zu sein.

Ich möchte Ihnen nun einmal zeigen, was wir an Studien und Schulungen schon gemacht haben. Wir haben Vorstudien erstellt zu Risikowissen, zur Autonomie von Patienten, zu den Präferenzen, zur Ungewissheit. Das ist das, was fertig ist. Wir haben zwei Informationen zu Schulungsprogrammen entwickelt: zu Immuntherapien und zur Schubtherapie und sie in Studien evaluiert. Dieses Schubtherapieprogramm haben wir in einer weiteren Studie in die Praxis eingeführt und evaluiert.

Wir haben außerdem Flyer zum MS-Verdacht, zur Tysabri-Therapie beziehungsweise zu den Nebenwirkungen entwickelt und evaluiert. Wir machen gerade eine randomisiert kontrollierte Studie zu einem Schulungsprogramm für Frühbetroffene: es geht um Prognose, Diagnose und Frühtherapie und wir fangen nächste Woche (Ende März 2010, d.Red.) eine weitere Studie zu einem weiterentwickelten Schulungsprogramm zur Immuntherapie an. Wir entwickeln Programme zu Blasenstörungen, die Themen Spastik und Schmerz sind in Vorbereitung. Wir machen jetzt gerade ein Cochrane Review1, das „Information provisions for persons with MS“ heißt, also „Informationsprogramme für Menschen mit MS“, das hoffentlich Ende des Jahres fertig gestellt ist. Wir hatten im Januar in Hamburg die erste internationale Konferenz zur Patientenschulung und -edukation bei MS ausgerichtet, die, wie ich finde, sehr erfolgreich war und auch diese Arbeit geht weiter.

Ich will Ihnen die eine Entscheidungshilfe zum Schubtherapieprogramm näher vorstellen. Sie besteht aus zwei Teilen: aus einer 30seitigen Broschüre, in der die Evidenz zu Schüben, zur Schubtherapie aufgearbeitet ist. Dazu gibt es ein vierstündiges Schulungsprogramm zum Schubmanagement, in dem nicht nur die Evidenz, sondern auch der Umgang mit Schüben ein wichtiges Thema ist. Hier sehen Sie das Curriculum abgebildet (Abb.8). In der Broschüre geht es ziemlich klar um die Evidenz, im Schulungsprogramm geht es um viel mehr: darum, miteinander zu diskutieren, um Informationen, aber auch darum, wie mit diesen Informationen umzugehen ist. Es geht um Handlungsorientierung. Die Menschen machen was mit der Evidenz und sie reflektieren das, was sie da hören, das ist der Beratungsaspekt - sie beraten sich gegenseitig. Es gibt also auch ein bisschen Peer Counseling in diesem Schulungsprogramm.






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