Stiftung LEBENSNERV, FORUM PSYCHOSOMATIK 2/08 |
Peter Krebs, Internist und ehemaliger ärztlicher Leiter des St. Agatha-Krankenhauses, zeichnete in seiner Einführung die bewegte Geschichte der Vision und Entstehung der Psychosomatischen Abteilung unter seiner Initiative nach, die über viele Jahre die Kultur einer zuhörenden und achtsamen Medizin im ganzen Haus wachsen ließ.
Walter Schurig, derzeitiger Leiter der Psychosomatischen Abteilung, betonte den oft übersehenen engen Zusammenhang von Schmerz und Angst. „Bei Angst werden ähnliche Regionen des Gehirns wie bei der Schmerzentstehung aktiviert“, erklärte er. Oft reiche es, das jeweilige Gefühl zu benennen, um den Patienten zum Sprechen zu bringen, so Mechthilde Kütemeyer, seine Vorgängerin. Dafür müsse der Arzt aber das „affektive Alphabet“ erlernt haben, die klare Zuordnung bestimmter körperlicher Phänomene zu bestimmten Affekten/Gefühlen kennen.
Der Körper verbündet sich dabei nach erkennbaren festen Regeln mit den verschiedenen Affekten: Für die körperlichen Äquivalente der Angst ist eine Vielfalt wechselnder, oft anfallsartiger Beschwerden charakteristisch, überwiegend subjektive Empfindungsstörungen von unruhig bewegter Qualität („ es kribbelt…vibriert… wühlt … arbeitet“). Die depressiven Körpersymptome dagegen treten statisch und fortdauernd in Erscheinung. Schwindel gehört deshalb zur Angst und nicht zur Depression. So kann der Arzt, der Psychologe oder Psychotherapeut, auch wenn der Patient über sein Gefühl (noch) nicht sprechen kann, anhand der Körperbeschwerden seine emotionale Befindlichkeit deutlich erkennen und benennen.
Das Benennen der inneren Verfassung – vorbewusster Phantasien, Wünsche, Überzeugungen – ist auch der Angelpunkt der mentalisierungsbasierten Psychotherapie (MBT), über die Ulrich Schultz- Venrath einen eindrucksvollen Überblick vermittelte.
Redewendungen zeugen von einem Wissen um die ursprüngliche Bedeutung von Wörtern und den symbolischen Ausdrucksgehalt bestimmter Körperteile: Rückgrat beweisen, den Kopf hängen lassen, die kalte Schulter zeigen. Barbara Benoit, Gynäkologin und Psychotherapeutin, konnte anhand einer Sprachanalyse von 120 Unfallschilderungen zeigen, dass Unfälle in zugespitzten Lebenskonflikten auftreten und über die verletzten Körperteile als Inszenierungen dieser Konflikte zu verstehen sind. Die häufigen psychogenen (seelisch verursachten, d. Red.) Beschwerden, die nach Heilung der körperlichen Unfallverletzungen fortbestehen, lassen sich als somatisierte (über den Körper dargestellte, d. Red.) szenische Darstellungen der Konflikte fassen und bei rechtzeitiger Bearbeitung rascher mildern, womöglich vermeiden.
Dichter als Lehrmeister Eine zuhörende und sprechende Medizin braucht die Dichter – und Philosophen – als unersetzliche Lehrmeister. Karl Friedrich Masuhr, der Lehrbuchautor von „Neurologie“ Duale Reihe, benannte anhand der Biographien und Schriften zahlreicher Arzt- Dichter das familiäre und das politische Spannungsfeld, in dem sich Krankheit und die dazu gehörende Selbstreflexion befindet. Aus dem Gespräch des Arztes Gottfried Benn mit seiner Mutter können wir viel über Wunde, Schmerz, Herz, Mund und die Plötzlichkeit körperlicher Traumaerinnerung erfahren:
Gottfried Fischer, Gründer des Deutschen Instituts für Psychotraumatologie (DIPT) und Leiter des Instituts für Klinische Psychologie & Psychologische Diagnostik (IKPP) der Universität zu Köln, entwarf die Vision einer philosophisch begründeten Psychotherapiewissenschaft als eigenständiger Disziplin. Bereits vorhandene, aber widersprüchliche Theorien und Modelle gelte es dabei zu respektieren und zu integrieren, aber auch neue, der Psychotherapie als dialogischer Methode angemessene Prinzipien zu schaffen.
Die Darstellungen einer sensiblen Medizin und Neurologie, die vor der Übermacht bildgebender Verfahren und pharmakologischer Versprechen nicht in die Knie geht und innovative Erfahrungen vorzuweisen hat – die auch Berührungen mit der Poesie und Philosophie nicht scheut –, erzeugte auf dem Symposium eine zuversichtlich heitere Atmosphäre, die auch die Zuhörer zu anregenden Beiträgen ermunterte.
In der „Arbeitsgemeinschaft Psychosomatik und Neurologie“ (AGPN) haben sich seit 1997 niedergelassene sowie klinisch und wissenschaftlich tätige Neurolog/ inn/en – und andere Gesundheitsarbeiter/ innen im Bereich der Neurologie, Epileptologie und Psychosomatik – aus verschiedenen Städten zusammengeschlossen. Interessenten können sich bei den nachstehend angegebenen (mail-)Adressen anmelden,
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