Stiftung LEBENSNERV, FORUM PSYCHOSOMATIK 2/08 |
November! Zu den wohl häufigsten Erkrankungen in dieser nasskalten Jahreszeit gehören Erkältungen, sogenannte grippale Infekte. Nicht zu verwechseln mit einer echten Grippe (Influenza), die durch Grippeviren verursacht wird und meist schlagartig mit Schüttelfrost und hohem Fieber sowie starken Kopf- und Gliederschmerzen beginnt. Bekanntermaßen ist nun aber die Anfälligkeit für Erkältungskrankheiten von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Seit langem wird deshalb von Forschern der Frage nachgegangen, inwiefern das Immunsystem nicht nur durch die körperliche Konstitution, sondern auch durch psychosoziale Faktoren beeinflusst wird.
Und sie wurden fündig: In einer US-Studie an über vierhundert freiwilligen Versuchspersonen hatten diejenigen Frauen und Männer, bei denen eine hohe psychische Belastung (Stress) festgestellt wurde, nach Infektion durch Erkältungsviren (Rhinoviren) ein bis zu fünfmal höheres Erkrankungsrisiko als stressfreie Personen. Aber nicht nur Stress, sondern auch Persönlichkeitsfaktoren sind offenbar von großem Einfluss auf unsere Abwehrkräfte. So haben pessimistisch Veranlagte – Menschen mit einem sogenannten negativen affektiven Stil, die „das Glas immer halb leer sehen“ wie der Volksmund sagt – insgesamt eine deutlich schlechtere Immunabwehr gegen Grippeviren als die optimistischen Frohnaturen.
Und sie fielen auch durch eine merkwürdige Asymmetrie in den Hirnströmen der beiden Hirnhemisphären auf, die mit der Immunschwäche korrelierte, wie Melissa Rosenkranz von der Universität Wisconsin in Madison unlängst in einer viel beachteten psychoimmunologischen Untersuchung nachwies (Pnas, Bd. 100). Die US-Psychoimmunologin bestimmte bei 52 Personen mittels eines EEG die Hirnströme in der rechten und linken Hirnhälfte. Bei den Frohnaturen war vor allem das linke Stirnhirn bioelektrisch aktiv, bei den pessimistisch Veranlagten dominierte hingegen das rechte Präfrontalhirn. Alle Probanden wurden nun gegen Grippe geimpft und danach im Abstand von zwei, vier und 26 Wochen der Antikörpertiter bestimmt. Wie sich herausstellte, konnten die pessimistischen rechtsseitig hirnaktivierten Studienteilnehmer eindeutig weniger Antikörper gegen die (abgetöteten) Grippeviren bilden, als die glücklicher veranlagten Probanden, bei denen die neuronale Aktivität im linken Präfrontalhirn größer als im rechten war. Die nahe liegende Folgerung: Optimismus ist gesund, er stärkt die körpereigenen Abwehrkräfte.
Da bei unglücklichen und pessimistisch veranlagten Menschen mit etwas defizitärer Immunabwehr der linke Frontalcortex weniger aktiv ist als bei optimistischen Typen, fragten sich Melissa Rosenkranz und ihr Mentor Professor Richard Davidson: Ließe sich vielleicht bei den Pessimisten durch ein mentales Training das linke Stirnhirn verändern und dadurch die Immunabwehr verbessern? Laut Davidson sind optimistisches Denken und Gelassenheit Fertigkeiten, die sich erlernen lassen – etwa durch Achtsamkeitsmeditation. Dadurch würde das Gehirn strukturell verändert, im Prinzip genauso wie durch das regelmäßige Spielen eines Musikinstrumentes, und damit veränderte sich dann möglicherweise auch die Qualität der Immunabwehr.
Um seine These zu untermauern, ließ Davidson in einer psychoimmunologischen Studie 25 gestresste Angestellte einer amerikanischen Hightech-Firma unter Anleitung des buddhistischen Meditationslehrers Jon Kabat-Zinn ein achtwöchiges Meditationstraining in Achtsamkeit absolvieren. Dabei versetzen sich die Meditierenden in einen Zustand der „Mindfulness“, also des achtsamen Gewahrwerdens von inneren mentalen Prozessen und körperlichen Vorgängen, etwa des Ein- und Ausatmens. Nach dem mentalen Training fühlten sich die Versuchspersonen nicht nur glücklicher und gelassener; auch ihre Gehirnfunktion hatte sich nachhaltig verändert.
Sogar noch vier Monate nach dem Meditationstraining waren die im EEG aufgezeichneten Hirnströme des linken Stirnhirns viel ausgeprägter als vor der Schulung. Die Probanden, die ein Meditationstraining absolvierten, hatten aber nicht nur ihr Gehirn nachhaltig verändert, sondern auch ihre Immunabwehr; sie produzierten nämlich nach einer Grippeimpfung deutlich mehr Antikörper gegen die Grippeviren als die Teilnehmer in der nicht meditierenden Kontrollgruppe (Psychosomatic Medicine, Bd. 65).
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