Stiftung LEBENSNERV, FORUM PSYCHOSOMATIK 2/08 |
ICHWERDE GEFALLEN – so lautet die wörtliche Übersetzung für ein Phänomen, das vielen ForscherInnen in der Vergangenheit überhaupt nicht gefallen oder Freude bereitet hat. Es handelte sich eher um ein unerwünschtes Ärgernis – „ist ja wohl nur ein Placebo-Effekt“ hieß es häufig abwertend. Doch zunehmend wandelt sich die Einstellung zu diesem Effekt. So betont der italienische Forscher Fabrizio Benedetti von der Universität Turin: „Der Placebo-Effekt hat sich in letzter Zeit von einem Ärgernis in klinischen und pharmakologischen Forschungen zu einem biologischen Phänomen gewandelt, das selber Ziel wissenschaftlicher Untersuchungen ist“.
So fand im April 2008 ein internationales Symposium von PlaceboforscherInnen in Tutzing statt. Diese wollten herausfinden, wie sich dieser Effekt sinnvoll zum Nutzen der behandelten PatientInnen nutzen lässt. Georg Schönbächler von der Universität Zürich betont in diesem Zusammenhang, dass es zunächst einmal wichtig sei, die Begrifflichkeiten zu klären: „Um Missverständnisse zu vermeiden, möchte ich folgende begriffliche Unterscheidungen einführen: Es muss unterschieden werden zwischen dem Placebo, dem Placeboeffekt und der Placeboreaktion: Das Placebo ist eine pharmakologisch inerte (unbeteiligte, d.Red.) Substanz, also etwa Milchzucker bei peroralen (über den Mund aufgenommenen, d.Red.) oder isotonische Kochsalzlösung bei injizierbaren Arzneiformen, aber auch Scheinoperationen oder andere Interventionen ohne bekannteWirkung auf den Stoffwechsel.
Der Placeboeffekt ist die Differenz in der Wirkung zweier Behandlungsformen zwischen Gruppen, wobei die eine Gruppe ein Placebo, die andere Gruppe keine Behandlung erhalten hat. Die Placeboreaktion (in der Literatur auch Placeboresponse genannt, d.Red.) hingegen bezieht sich auf die Besserung eines Symptoms bei einem Individuum, das eine Scheinbehandlung erhalten hat und eine Wirkung erwartet.“
Viele der derzeitigen Forschungen beziehen sich nun darauf, wie Placeboreaktionen entstehen und wie sie sich nutzen lassen. So konnte Schönbächler drei Mechanismen herausarbeiten, die eine Rolle spielen: die Konditionierung, die Erwartung und die Bedeutung. Die Konditionierung ist ein lange bekanntes Phänomen, bei dem zwei Reize aneinandergekoppelt werden. Bei Pawlow, dem Entdecker dieses Effektes, war es der Speichel eines Hundes, der beim Klang einer Glocke und gleichzeitiger Nahrungsgabe auftrat. Nach einiger Zeit konnte allein der Klang der Glocke einen Speichelfluss auslösen, ohne dass eine Nahrungsgabe erfolgte. Im gesamten Bereich einer Arzneimittelanwendung (mit der Folge einer Annahme von Schmerzverminderung nach einer Medikamentengabe) kann ein weißer Kittel, eine Spritze oder die Anwesenheit eines Arztes nach einer gewissen Zeit auch schon eine Reaktion (Minderung von Schmerz) auslösen, ohne dass ein Präparat verabreicht wird. Dieser Effekt wird (perverserweise) auch im Sport genutzt, wobei AthletInnen sich im Vorfeld mit verbotenen Mitteln dopen, das Mittel vor dem Wettkampf aber absetzen und dann nur noch eine Zuckerpille nehmen, die eineWirkung hervorruft, natürlich aber nicht nachweisbar ist (vgl. Enck u.a. 2008).
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