Stiftung LEBENSNERV, FORUM PSYCHOSOMATIK 1/08 |
26 Jahre sind vergangen, seitdem ich mit meinen ersten MS-Beschwerden konfrontiert wurde, und ich kann mich glücklich schätzen, dass die Ärzte des Frankfurter Krankenhauses, in das ich damals eingeliefert und weitere sechs Wochen stationär behandelt wurde, nicht diejenigen waren, die bei mir die MS diagnostizierten. Tagtäglich musste ich dort miterleben, wie ignorant, unsensibel und auch kontraproduktiv der Umgang behandelnder Ärzte mit ihren PatientInnen ablaufen kann. In dieser Klinik wurde ich mit der Diagnose „Nervenentzündung“ entlassen. Ein Jahr später sollte ich dann selbst erfahren, dass es von entscheidender Bedeutung ist, in welcher Form die Diagnosestellung MS abläuft!
Mittlerweile lebte ich in Berlin und wurde erneut von heftigen neurologischen Ausfällen beeinträchtigt. Wieder hielt man eine Klinikeinweisung für erforderlich, und es war nun mein großes Glück, dass mir dort eine sehr gute und kompetente Klinik empfohlen wurde. Meine negativen Erfahrungen in der Frankfurter Klinik hatten mich sehr ängstlich gemacht, doch nun erlebte ich einen komplett anderen Umgang mit den PatientInnen in diesem Krankenhaus.
Auch dort wurden die mir schon bekannten Untersuchungen vollzogen, wie zum Beispiel die Entnahme der Rückenmarksflüssigkeit, Computertomographie etc.
Doch diesmal fühlte ich mich von einem unterstützenden Umfeld umgeben, und die Behandlung wurde von einem sehr freundlichen, zugewandten und interessierten Arzt durchgeführt.
Zunehmend deuteten die Ergebnisse der Untersuchungen auf einen MS-Befund hin, und schon bei der Diagnosestellung hat dieser Arzt mich sehr vorsichtig und Mut machend an die Krankheit herangeführt und mir bereits am nächsten Tag eine Gesprächstherapie angeboten, die fast täglich während meines erneut sechswöchigen Krankenhausaufenthaltes durchgeführt und anschließend noch ambulant fortgesetzt wurde. Dies vermittelte mir vor allem auch das stärkende Gefühl, dass ich dieser Krankheit durch die therapeutische Unterstützung nicht so ohnmächtig ausgeliefert wäre.
In mir entwickelte sich ein starker Optimismus, dass ich den Verlauf meiner MS günstig beeinflussen könnte, wenn ich mich mit meinem psychischen Befinden mehr auseinandersetzte. Sicherlich spielte da auch die ärztliche Zuwendung eine große Rolle. In meiner Herkunftsfamilie war ich nicht gerade verwöhnt mit einem interessierten Umgang an meiner Person, so wie ich ihn mir oft gewünscht hatte. Später habe ich in den weiterführenden Therapien gerade an dieser Unterversorgung in meiner kindlichen Entwicklung vieles erkannt, was für mich im Zusammenhang mit der Erkrankung steht (zum Beispiel sekundärer Krankheitsgewinn: Zuwendung und Aufmerksamkeit über Krankheiten zu bekommen, hatte schon früh „funktioniert“).
Doch das Entscheidende und Wichtigste, was ich diesem Arzt zu verdanken habe, war seine positive Reaktion mir gegenüber, als mein damaliger Kinderwunsch ein wichtiges Thema für mich darstellte. Sicherlich hat er mich auf eventuelle Verschlechterungen aufmerksam gemacht, gleichzeitig mir davon berichtet, dass es sich auch positiv auf den weiteren Verlauf meiner MS auswirken könnte. Das hat mir Mut gemacht, eineinhalb Jahre später kam meine wunderbare Tochter zur Welt, und sowohl Schwangerschaft als auch Geburt sind sehr gut verlaufen.
Dass ich einige Monate nach der Entbindung tatsächlich wieder einen sehr heftigen Schub bekam (diesmal handelte es sich um eine starke Sehnerventzündung), stand für mich eindeutig im Zusammenhang mit großen Problemen in meiner Ehe, die sich nach der Geburt unserer Tochter noch deutlich verstärkt hatten. Ich war noch sehr jung, fühlte mich oft alleingelassen mit der großen Verantwortung und war den häufigen Auseinandersetzungen mit meinem Ehemann damals kaum gewachsen. Der erneute Schub war für mich nun ein Signal dafür, dass ich etwas verändern musste: Im Grunde habe ich meine Krankheit wegweisend für mein weiteres Leben nutzen können und schon bald darauf habe ich meinen Mann verlassen.
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