Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 1/07


Das Immunsystem und die Psyche

Was die Abwehr schwächt
und wie die Psyche sie stärken kann





Das Immunsystem lernt
Unumstritten ist, dass die erworbene Immunabwehr beständig dazu lernen muss. Die PNI hat darüber hinaus belegt, dass das Immunsystem konditioniert werden kann. ProbantInnen, die einen immunschwächenden Wirkstoff gleichzeitig mit einer übelschmeckenden Flüssigkeit verabreicht bekamen, zeigten auch eine Schwächung der Immunreaktion, nachdem sie lediglich dieFlüssigkeit, also ohne den Wirkstoff, verabreicht bekamen. Das Immunsystem hatte gelernt, die beiden Reize miteinander zu verkoppeln. Etliche Studien zum sogenannten Placeboeffekt zeigen ebenfalls, dass die Wirkung des Placebos im Zusammenhang damit steht, inwieweit die Versuchspersonen eine „heilende“ Erwartung an die Behandlung haben. Diese kann sowohl durch eine Konditionierung als auch durch eine überzeugend informierende Darreichung und durch die Einstellungen und Glaubenshaltungen der PatientIn selbst beeinflusst sein.
So ist denn auch eine Studie zu verstehen, in der PatientInnen nach einer nur vorgetäuschten Knieoperation ebenso gute Heilungserfolge aufwiesen wie die Kontrollgruppe, die tatsächlich operiert wurde. Oder weshalb es bei allergischen Menschen zu Niesanfällen kommen kann, wenn sie lediglich ein Bild der Gräser zu sehen bekommen, auf die sie allergisch reagieren.
Bei der Frage, was Allergien
und Autoimmunerkrankungen zuGrunde liegen könnte, verfolgt eine neurobiologische These die Idee, das Immunsystem hätte entsprechende Reize einfach falsch gelernt. Genau darin bestünde dann ein Ansatz für einen Heilungsversuch, nämlich im systematischen Umlernen bzw. Umtrainieren.
Generell kann man also schlussfolgern, dass Immunstörungen eben auch vom Empfinden, Denken und Fühlen beeinflusst sind. Wobei Depressionen, Versagens - ängste oder Einsamkeit die Immunreaktion eher schwächen, während Lebensfreude, Gelassenheit, Fröhlichkeit und Liebe sie fördern können. Was jedoch nicht heißt, wer viel Stress hat und oft niedergeschlagen ist, wird automatisch krank, während glückliche Menschen kein Gesundheitsrisiko tragen. Vielmehr müssen das subjektive Erleben von Stress, der individuelle Umgang mit Stress ebenso wie individuelle Verhaltensweisen unter Stress (zum Beispiel vermehrter Konsum von Alkohol und Nikotin) im gleichen Maße wie persönliche Bewertungen und Vorerfahrungen, auch aus der frühen Kindheit, genauso wie Vorerkrankungen in die Überlegungen mit eingeschlossen werden. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass Krankheit immer ein multifunktionales Geschehen ist.

Immun mit Hilfe der Psyche
Die PNI hat auch Faktoren untersucht, die sich positiv auf die Immunreaktion auswirken können. So zeigte sich regelmäßige Entspannung als leistungssteigernd im Immunsystem. Auch ein Anti-Stress-Verhaltenstraining bei HIV-positiven Menschen machte sich durch weniger Stresshormone, weniger Angst, Wut und Stimmungsschwankungen und deutlich gebesserte Immunabwehr bemerkbar, die noch ein Jahr lang anhielten. Auch bei PatientInnen mit Angina Pectoris zeigte sich ein Trainingsprogramm, zu dem neben einem moderaten Belastungstraining u.a. eine Imaginationsübung gehörte, in der die PatientInnen mit der „Mauer“ kommunizierten, die sie um ihr Herz aufgebaut hatten, als erfolgreich in Bezug auf eine deutliche Beschwerdeverbesserung und verringerte Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen.4
Bei der Frage, wie Sie selbst aktiv zur Gesunderhaltung oder Verbesserung des Immunsystems beitragen können, muss zunächst einmal der Ausgangspunkt genau definiert werden. Wollen Sie einfach vorbeugen, haben Sie bereits eine Erkrankung, die auf ein geschwächtes Immunsystem zurückzuführen ist oder handelt es sich eher um eine überschießende Reaktion? Entsprechend können Maßnahmen zur Ankurbelungoder Beruhigung ergriffen werden. Ich möchte Ihnen im Folgenden einige Möglichkeiten der Imaginationsarbeit aufzeigen. Es handelt sich dabei um ein Verfahren, bei dem man sich in einem angenehm entspannten Zustand unter Einbeziehung aller Sinne möglichst exakt Vorstellungen von dem erzeugt, was angestrebt wird.5

Widerstandskraft verbessern
Eine gute Möglichkeit, die eigene Widerstandskraft zu verbessern, besteht beispielsweise zunächst einmal darin, mehrmals am Tag kurze Entspannungspausen einzulegen. Der Körper bekommt damit die Zeit und Ruhe, die er braucht, um zu regenerieren, Zellen zu erneuern und die Immunabwehr zu optimieren. Diese Pausen können Sie gut mit Ihren individuellen Vorstellungsübungen kombinieren.
Anstelle sich von der Flut an Informationen, Filmen und Werbung, ob Vogelgrippe, Bakterien im Fahrstuhl oder auf dem Küchenbrett, immer weiter ängstigen zu lassen, versuchen Sie es doch mal mit der Vorstellung Ihrer Abwehrstärke. Probieren Sie einmal aus, welche Vorstellung Ihnen am besten gefällt und die größte Erwartung weckt. Sie können z.B. damit beginnen, für einen Moment auf den eigenen Atem zu achten, wahrzunehmen, wie er in den Körper einströmt und wieder herausströmt, wahrnehmen, wie er den Körper bewegt, wie sich die Bauchdecke hebt mit dem Einatem und sich wieder senkt mit dem Ausatem, sich vorstellen, wie Sie frischen Sauerstoff oder helles Sonnenlicht einatmen und wie dieses Ihren Körper erstrahlen lässt. Sie können visualisieren, wie die Haut den Sauerstoff, das Licht oder irgendeine angenehme Farbe regelrecht tankt und sich damit auflädt und dann können Sie beobachten, wie beispielsweise Bakterien an der Haut abprallen. Stellen Sie sich vor, mit einem leuchtenden, schützenden Film umgeben zu sein, der alles abhält. Sie können auch imaginieren, dass die Schleimhäute in einer wunderbaren Farbe erstrahlen, feucht, dicht und glitschig, und dann können Sie beobachten, wie Bakterien an ihnen kleben bleiben, in ihnen versinken und von den Fresszellen mit Genuss und Freude vertilgt werden. Dabei dürfen Sie all Ihre Sinne aktivieren, sich die Bilder vorstellen, den Schutz fühlen, die Feuchte z.B. riechen, die Fresszellen schmatzen hören … Ihrer Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Es ist gleich, ob Sie sich an biologischen Gegebenheiten halten oder Ihre eigenen Phantasievorstellungen einsetzen. Wichtig ist nur, dass die Imagination insgesamt ein angenehmes Gefühl vermittelt.



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