Rezension: Medizin und Gewissen

Unter diesem Titel ist kürzlich im Mabuse-Verlag eine Dokumentation des gleichnamigen Kongresses erschienen, den die deutsche Sektion der IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs/Ärzte in sozialer Verantwortung) 50 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess 1996 mit 1600 BesucherInnen in Nürnberg veranstaltete.

Auf dem Kongress wurden die Verbrechen deutscher Ärzte im Nationalsozialismus benannt, die Kontinuitäten ihrer Karrieren und ihres Denkens dargestellt. Es wurde den Gründen für das menschenverachtende Verhalten vieler Ärzte nachgegangen, und nicht zuletzt diskutierte man über gegenwärtige und künftige Entwicklungen der medizinischen Möglichkeiten, die im zugrunde liegenden Menschenbild Parallelen zur Zeit der NS-Diktatur aufweisen.

All das wird in dem 476-seitigen Werk dokumentiert. Für alle LeserInnen vielleicht besonders interessant sind die Auseinandersetzungen mit Behinderungsbegriffen, mit pränataler Medizin, mit der Bioethik, mit dem Status von Zwangssterilisierten und Euthanasie-Geschädigten. In jedem Fall ist das Buch lesenswert für all diejenigen, die ihre Augen vor der Vergangenheit nicht verschließen und aktuelle Entwicklungen kritisch begleiten wollen. Dabei bietet es sogar für KongressteilnehmerInnen spannende Beiträge, weil es seinerzeit unmöglich war, das gesamte Angebot in den vielen Parallelveranstaltungen wahrzunehmen.

Dank des breiten Themenspektrums und der hohen Fachkompetenz der jeweiligen AutorInnen liegt uns mit diesem Buch viel mehr vor als eine Tagungsdokumentation: Meines Wissens handelt es sich derzeit um das umfassendste und aktuellste Kompedium zur Thematik. (Si)

Stephan Kolb, Horst Seithe, IPPNW (Hrsg.):
Medizin und Gewissen.
50 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozeß.
Mabuse-Verlag, Frankfurt a.M. 1998
 
476 Seiten
ISBN: 3-929106-515 (gebunden), 78 Mark
ISBN: 3-929106-523 (broschiert), 58 Mark

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