Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 1/98

Teil 3: "Coping Training" von Björn Kruse, Dieter Pöhlau, Joachim Kugler

Berichte über psychotherapeutische Heilungen der MS sind höchstwahrscheinlich auf Fehldiagnosen zurückzuführen. So werden z. B. in einem Artikel acht Patienten beschrieben, bei denen anhand von körperlichen Ausfällen („Schüben”) die Diagnose MS gestellt wurde. Im weiteren Verlauf stellte sich dann aber heraus, daß sie keine entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems hatten, sondern eine andere, psychiatrische Erkrankung, von der sie dann durch die Psychotherapie geheilt wurden. Vermutlich stammen Berichte von „psychotherapeutischen Heilungen” der MS ausschließlich von solchen Patienten. Diese hatten dann auch „nur“ körperliche Ausfälle und keine positiven Befunde im Kernspintomogramm oder Nervenwasser, die für die sichere Diagnose der MS unabdingbar sind.

Jahre- oder sogar jahrzehntelange Phasen des Stillstandes der Erkrankung gibt es auch bei unbehandelten Patienten. Wenn ein solcher Stillstand nach einer wie auch immer gearteten Therapie auftritt, ist man verständlicherweise geneigt, diesen auf die Behandlung zurückzuführen, ein Beweis ist ein solcher Verlauf aber nicht.

Es gibt bislang keinen Fall einer MS-Erkrankung, der bewiesenermaßen durch Psychotherapie geheilt worden wäre!

Wenngleich also die MS nicht durch seelische Ereignisse ausgelöst wird, gibt es doch Wechselwirkungen zwischen dem Immunsystem und psychischen Faktoren. Immunveränderungen können zu Befindlichkeitsstörungen führen: Jeder kennt aus eigener Erfahrung, wie körperlich und psychisch abgeschlagen man sich bei einer Grippe fühlt. Diese psychische Abgeschlagenheit wird durch Entzündungsstoffe hervorgerufen, die im Rahmen der Grippe freigesetzt werden – ein eindeutiger Hinweis auf das Zusammenspiel von „Seele” und Immunsystem.

Ähnliches beobachtet man bei der Depression: Forschungen haben ergeben, daß Depressionen zur Anhebung der Anzahl einer bestimmten Art von Immunzellen (den „CD4+“-Zellen, auch „T-Helfer-Zellen“ genannt) führt. Dies gilt sowohl für die Depression im allgemeinen, als auch für Depression bei MS-Erkrankten im besonderen. Eine Untereinheit genau dieser Zellart (die sogenannten T-Helfer-1-Zellen) wird für die Auslösung der Entzündungen im Zentralnervensystem verantwortlich gemacht, die einem MS-Schub bzw. dem Fortschreiten der MS zugrunde liegen. Ob nun vor allem diese Untergruppe von entzündungsfördernden Immunzellen bei Depression ansteigt, ist bisher unbekannt. Ebenso ist bisher unklar, ob bereits eine Änderung hin zu „depressiver Verstimmung” diese Zellverschiebungen hervorrufen kann.

Falls das so ist, könnte es also sein, daß Depression die MS schneller voranschreiten läßt. Die Frage nach diesen Zusammenhängen ist unter anderem Gegenstand unserer Forschungen.

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