FORUM PSYCHOSOMATIK

Zeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 21. Jahrgang, 1. Halbjahr 2011




Waadt/Duran/Berg/Herschbach:
Progredienzangst Behandlung von Zukunftsängsten bei chronisch Kranken

Schattauer Verlag, Stuttgart,2011,
230 S., 39,95 EUR,
ISBN: 978-3-7945-2790-8


Progredienzangst – dahinter verbirgt sich die Angst vor einem Fortschreiten der Erkrankung mit allen negativen Folgen. Eine solche Angst kann eine der größten Belastungen für chronisch kranke Frauen und Männer sein: Gerade bei der MS, bei der es mit dem „chronisch progredienten“ Verlauf (neben dem schubförmigen) sogar eine begriffliche Festschreibung in dieser Hinsicht gibt. Wenn eine derartige Angst den Blick auf die Zukunft verstellt, mindert sie in hohem Maße die Lebensqualität und kann sogar eine angemessene Therapie verhindern.

Ein solches Phänomen tritt jedoch nicht nur bei der Erkrankung an MS, sondern auch bei Diabetes Mellitus, Krebs, Rheuma oder Morbus Crohn auf. Deshalb ist es auch nur konsequent, dass die AutorInnen all diese chronischen Erkrankungen im Blick haben, wenn sie ihr Manual darlegen. Manual – das bedeutet eigentlich „Handbuch“. In der vorliegenden Publikation ist darunter eher eine theoretisch fundierte Grundlage (erster Teil) sowie eine Handlungsanleitung (zweiter Teil) zur Behandlung solcher Zukunftsängste zu verstehen. Die „Behandlung“ erfolgt nach drei grundlegenden Bausteinen (Modulen): Modul 1 – Selbstbeobachtung und Diagnostik, Modul 2 – Angstkonfrontation und Neubewertung und Modul 3 – Verhaltensänderung und Lösungen. Im Modul 3 spielen dann auch Entspannungsverfahren und Achtsamkeitsmeditationen eine Rolle. Ferner geht es um eine „Ressourcenaktivierung“, also die Rückbesinnung auf die eigenen Kräfte und die Erstellung eines Aktionsplanes zur Verhaltensänderung. Empowerment pur, wenn ich das hier so flapsig sagen darf und eine dicke Empfehlung für die Praxis!

HGH


Bernd Hontschik:
Herzenssachen – So schön kann Medizin sein

weissbooks GmbH, Frankfurt am Main, 2009,
131 S. 5,00 EUR (Modernes Antiquariat)
ISBN: 978-3-940888-03-7

„Der Unterschied zwischen einem kranken Menschen beim Arzt und einer defekten Maschine in der Werkstatt ist fundamental. Wenn die Medizin das vergisst, ist sie keine mehr.“ Dieses Zitat stammt aus einer Medizin-Kolumne, die der Frankfurter Arzt Bernd Hontschik regelmäßig in der „Frankfurter Rundschau“ veröffentlicht. Es könnte auch das übergreifende Motto der 35 Beiträge sein, die hier in der kleinen Anthologie „Herzenssachen“ versammelt sind, denn Hontschik ist Vertreter einer „integrierten Medizin“, wie sie von Thure von Uexküll entwickelt wurde. Viele der Texte behandeln den Einfluss der Pharmaindustrie oder die grotesken Auswirkungen eines bürokratisch organisierten Gesundheitssystems. Der Autor kritisiert die geplante elektronische Gesundheitskarte und begründet, warum er dem Verein MEZIS (Mein Essen bezahle ich selbst) beigetreten ist.

Der Inhalt ist die Investition der 5 EURO mehr als wert (Geschenktipp!): Meine grauen Zellen jedenfalls fühlten sich nach der Lektüre der mit „Herzblut“ geschriebenen Texte durchgepustet und aufgefrischt an – so schön kann Lesen sein!

HGH


Hartmut Reiners:
Krank und pleite? Das deutsche Gesundheitssystem

Suhrkamp Verlag, Berlin,
223 S., 8,95 EUR,
ISBN: 978-3-518-46247-8

Geht es Ihnen auch so, dass Sie zusammenzucken, wenn Sie das Wort „Gesundheitsreformen“ hören? Viel zu oft war dies ein Kampfbegriff, der in den letzten Jahren wenig mit wirklichen Reformen im Sinne der PatientInnen, sondern eher mit einem Griff in die Taschen der Versicherten verbunden war. Dass die Gesundheits - politik und das Gesundheitssystem in Deutschland außerdem einem undurchschaubaren Dschungel gleichen, macht die Sache nicht einfacher. Abhilfe kann da das Buch von Hartmut Reiners schaffen, der selbst Referatsleiter in unterschiedlichen Gesundheitsministerien der Bundesländer war und mit allen „Reformen“ vertraut ist. In fünf detailreichen Kapiteln werden folgende Inhalte behandelt: Macht die Unterteilung in gesetzliche und private Versicherung überhaupt Sinn? Gibt es wirklich eine Kostenexplosion? Was ist mit den Vergütungen der Kassenärzte, der Krankenhäuser? Wie ist die derzeitige Politik der schwarz-gelben Regierung zu bewerten? Welche drei Reformprojekte sollten in Zukunft angepackt werden? Aus meiner persönlichen Sicht ist Letzteres das aktuellste Kapitel, denn diese drei Projekte sind nach Reiners: die Schaffung einer einheitlichen und solidarischen Krankenversicherung, die Modernisierung der medizinischen Versorgungsstrukturen, etwa in ländlichen Regionen und eine Neuordnung der Zuständigkeiten für die Bedarfsplanung, sprich: das Verhältnis zwischen Krankenkassen zu den Kassenärztlichen Vereinigungen. Ein kleiner Anhang mit informativen Weblinks rundet den Titel ab – Pflichtlektüre für alle, die sich auf dieses politische Minenfeld wagen wollen.

HGH


Medienprojekt Wuppertal e.V.:
Mein Körper, der Feind?
Ein Leben mit Multipler Sklerose.

DVD 60 min. Kaufpreis: 30,- EUR, Ausleihe: 10,- EUR
www.medienprojekt-wuppertal.de

Diese professionelle filmische Dokumentation beschreibt drei verschiedene Lebenssituationen und drei verschiedene Arten, mit der Erkrankung an MS und ihren Symptomen umzugehen. Im Fokus stehen die Möglichkeiten und Mittel der Betroffenen, das Leben mit dieser Krankheit zu gestalten:


Sabine (30) hat erst vor zehn Monaten die Diagnose erfahren. Ihr erster Gedanke war: MS bedeutet Rollstuhl. Sie versucht, die Erkrankung mit natürlichen Methoden behandeln zu lassen. Noch spürt sie kaum Verschlechterungen, aber gerade wurden Veränderungen im zentralen Nervensystem gefunden und auch in einem Zeh spürt sie Taubheit. Nun stellt sich für sie die Frage nach der Notwendigkeit einer schulmedizinischen Behandlung.


Eva-Maria (39) ist seit der Geburt ihres Kindes vor vier Jahren an MS erkrankt. Damals war sie für zwei Wochen erblindet und die Diagnose war ein Schock. Inzwischen kann sie ihren Beruf nicht mehr ausüben. Einerseits dominiert die Krankheit ihr Leben, andererseits lässt die Liebe zum Kind und die Unterstützung ihres Mannes diese in den Hintergrund rücken. Sie leitet eine Selbsthilfegruppe und engagiert sich für Betroffene.


Bei Jens (33) wurde vor zehn Jahren MS festgestellt. 2005 lernte er seine heutige Ehefrau kennen und unterbrach die medizinische Behandlung für zwei Jahre. Inzwischen sitzt er im Rollstuhl. Für ihn stehen die Einschränkungen durch die Krankheit im Vordergrund seines Lebens. Seine Frau verdient das Familieneinkommen und regelt den Haushalt. Trotz der Schwierigkeiten in der Beziehung durch die Behinderung geben beide die Hoffnung auf Besserung nicht auf.


Mein Eindruck nach dem Anschauen: Die DVD scheint mir weniger für einen Abend alleine vor dem Player geeignet, sondern sie bietet viel Stoff zur kontroversen Diskussion in der Gruppe, da sehr unterschiedliche Typen und Verarbeitungsweisen dargestellt werden.

HGH





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