FORUM PSYCHOSOMATIK

Zeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 20. Jahrgang, 2. Halbjahr 2010

Sascha Köpke:

Selbst-Bemächtigung, Edukation und Empowerment


Dokumentation des Vortrags beim Symposium der Stiftung LEBENSNERV im Rahmen des Deutschen Kongresses für Psychosomatik und Psychotherapie


Ich begrüße Sie, schön, dass Sie so zahlreich da sind, mein Name ist Sascha Köpke. Ich komme aus Hamburg und bin dort Mitarbeiter von Professor Christoph Heesen an der MS Sprechstunde beim Institut für Neuroimmunologie und klinische MS-Forschung der Universität Hamburg. Wir sind seit einigen Jahren mit dem Thema „Autonomie und Patienteninformation“ beschäftigt und dazu gehört für uns auf jeden Fall auch Empowerment. Wir haben in Hamburg in letzter Zeit einige Programme entwickelt. Diese Programme will ich Ihnen heute vorstellen.

Die Begriffe „Selbst-Bemächtigung“ und „Empowerment“ aus dem Vortragstitel sind nicht so einfach zu trennen und werden häufig synonym benutzt. Edukation ist auch ein nicht so richtig glücklicher Begriff, obwohl wir ihn benutzen. Schulung, Edukation – das hat immer etwasmitSchule zu tun:der Lehrer Hempel steht vorne und befiehlt seinen Schäfchen, was zu tun ist.

Ich will aber mal ganz anders anfangen, mit einem Beispiel zur Risikoinformation. Die nachfolgende Aussage kennen Sie ja alle: „Die Regenwahrscheinlichkeit morgen beträgt 30 Prozent!“ Das Max-Planck-Institut für Risikokommunikation hat in verschiedenen Ländern Menschen befragt, was sie denn glauben, was das bedeutet. Das will ich Sie jetzt auch fragen. Ich gebe diese drei Optionen zur Auswahl an: Erste Möglichkeit: Heißt es, es wird regnen in 30 Prozent der Region? Zweite Möglichkeit: Ungefähr 30 Prozent der Zeit, ungefähr 8 Stunden, wird es morgen regnen? Die dritte Möglichkeit heißt: Ca. an 30 Prozent der Tage, die so sind wie der Tag morgen, regnet es. Jetzt frage ich Sie einfach mal per Handzeichen: (Abstimmung) Also die Mehrheit ist für Nr. 3, sehr interessant. Ich komme zum Schluss noch einmal darauf zurück.

Zur Einstimmung auch ein paar Worte von mir zur MS. Herr Kesselring aus der Schweiz hat einmal gesagt, es müsste MU statt MS heißen, nämlich Maligne Unsicherheit, das heißt, all diese Unsicherheit oder Ungewissheit, wie wir lieber sagen, die mit der Erkrankung verbunden sind und mit denen die Menschen konfrontiert sind, sind sicherlich ein ganz ganz wichtiger Aspekt bei der MS. Ungewissheit gibt es jede Menge: Ungewissheiten mit der Diagnose, dem Verlauf, mit der Prognose (wir haben schon gehört, der Rollstuhl wartet nicht unbedingt immer nach 20 Jahren) und Ungewissheit mit der Therapie, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Therapie steht für viele, was Schulungen und was Informationen betrifft, im Vordergrund, weil diejenigen, die am meisten informieren, auch am meisten Interesse daran haben, etwas zu verkaufen. Wir glauben angesichts dieser vielen Ungewissheiten, dass Empowerment oder die Selbstbemächtigung mit dem Ziel, selbstbestimmt das Leben und auch die Erkrankung zu gestalten, ein ganz entscheidender Punkt ist.

In der Beziehung zwischen Betroffenen und Ärzten oder Gesundheitsdienstleistern ist ganz viel passiert. Der autonome Patient gilt als Ideal, der das selber in die Hand nimmt und seine Erkrankung gestaltet. Zum Empowerment passt das auch sehr gut, denn die Definition von Rappaport, dieman immerwieder hört, lautet: Empowerment beschreibt den Prozess, bei demMenschen lernen, ihr eigenes Leben zu meistern. Auf englisch hieß das: „by which people gain mastery over their lives“. Das ist sehr schön ausgedrückt.Noch ein paarWorte zum Empowerment: Es beschreibt einerseits tatsächlich diesen Begriff der Selbstbemächtigung, allerdings ist Empowerment auch et - was, was man den Menschen gibt. Es geht also um die professionelle Unterstützung und Befähigung der Betroffenen, ihre Ressourcen wahrzunehmen und zu nutzen. Andererseits hängt Empowerment damit zusammen, Strategien und Maßnahmen zu finden, die dasMaß an Selbstbestimmung und Autonomie erhöhen. Die Menschen werden in die Lage versetzt, ihr Leben eigenmächtig, selbstverantwortet, selbstbestimmt zu vertreten und zu gestalten. Das hört sich ein bisschen phrasenlastig an, ich weiß nicht, ob Ihnen das auch so geht.





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