FORUM PSYCHOSOMATIK

Zeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 20. Jahrgang, 2. Halbjahr 2010

Stellungnahme zum Leserbrief der DMSG

Unser Artikel hat eine Diskussion angestoßen, und das ist gut so.

Wir haben uns – wie im Leserbrief indirekt angeregt – den Basisdatensatz (= Fragebogen) zur Erhebung der Daten für das MS-Register zuschicken lassen und ihn uns angeschaut. Dabei fielen mir insbesondere vier Punkte auf, die ich hier nennen und gegebenenfalls zur weiteren Diskussion stellen möchte:

1. Aussage im Leserbrief stimmt nicht

In ihrem Leserbrief unterscheidet die DMSG-Bundesgeschäftsführerin Dorothea Pitschnau-Michel zwischen obligatorischen und optionalen Fragen im Basisdatensatz. Das würde bedeuten, dass einige Angaben unbedingt erforderlich sind (obligatorisch) und andere auf freiwilliger Basis hinzugefügt werden können (optional). Zumindest in dem Datensatz, der uns zugeschickt wurde, gibt es aber solch eine Unterscheidung weder im Fragebogen noch im beiliegenden Informationsblatt. Unter „3. Modul B – Beruf/Betreuung“ wird unter Punkt „3.3 Mitglied DMSG“ nach einer Mitgliedschaft in der DMSG gefragt. Richtig ist lediglich, dass darauf hingewiesen wird, dass die Teilnahme an der gesamten Befragung auf freiwilliger Basis erfolgt.


2. Kausalorientierte MS-Therapie

Natürlich habe ich mir den Fragebogen nicht nur in Bezug auf die oben genannte Fragestellung angeschaut. Gestolpert bin ich als nächstes unter Punkt 4.1 über die „Kausalorientierte MS – Therapie“. Im ersten Moment dachte ich, der große Durchbruch in der MS-Forschung sei an mir vorbeigegangen. Nach meinem Kenntnisstand gibt es nämlich keine kausale (an der Ursache orientierte) Therapie bei MS, weil man die Ursache der Erkrankung nicht kennt. Als ich dann aber sah, wonach gefragt wurde, wurde mir klar, dass es sich hier um einen bunten Mix diverser Therapiemöglichkeiten der vergangenen Jahrzehnte handelt. Es wird also gefragt nach Therapien mit Steroiden (umgangssprachlich als „Cortisone“ bezeichnet), mit verschiedenen Zytostatika, Immunsuppressiva und anderen immunmodulatorischen Wirkstoffen sowie weiteren Medikamenten oder Maßnahmen wie der Plasmapherese. Angesichts der zumindest fraglichen Wirksamkeit dieser Therapiemaßnahmen die Bezeichnung „kausal orientiert“ zu verwenden, finde ich für die Betroffenen irreführend.


3. Defizitorientierte Betrachtungsweise

Der gesamte Fragebogen entspringt anscheinend einer rein medizinischen defizitorientierten Betrachtungsweise. Nicht berücksichtigt werden Ergebnisse neuerer wissenschaftlicher Ansätze und Diskussionen wie der

Unter Beachtung der genannten Dokumente und Diskurse müssten sich in dem Datensatz auch Fragen unter anderem nach stärkenden Faktoren und nach der Lebensqualität der Betroffenen finden.


4. Unklare Strukturen

Der Leserbrief kam vom DMSGBundesverband, der Basisdatensatz wurde von der „MS Forschungs- und ProjektentwicklungsgGmbH“ zugesandt. Der Fragebogen trägt in der Fußzeile einen Copyright-Vermerk des DMSGBundesverbandes. Beide Organisationen haben dieselbe Adresse und dieselbe Geschäftsführerin. Alleiniger Gesellschafter der „MS Forschungs- und Projektentwicklungs- gGmbH“ ist die DMS-Stiftung, Hannover.

Bin ich wirklich zu anspruchsvoll, wenn ich mir mehr Transparenz wünsche?




Si



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