FORUM PSYCHOSOMATIKZeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 20. Jahrgang, 1. Halbjahr 2010 |
Ende März dieses Jahres hat ein Berliner Anwalt Verfassungsklage gegen „Elena“ erhoben. Mit dieser aufhübschenden Bezeichnung wird ein „Gesetz über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises“ bezeichnet, das umfangreiche Daten der ArbeitnehmerInnen an einem zentralen Ort speichert: Name, Anschrift, Geburtsdaten, Lohnsteuerklasse, Urlaubsansprüche, Abmahnungen, Angaben zu Entlassungen und so weiter und so fort. Rund 30.000 Menschen haben sich bislang dieser Klage angeschlossen, da sie eine Verletzung ihrer Freiheitsrechte fürchten. Soweit, so schlecht, aber was hat das alles mit Multipler Sklerose zu tun?
Nun, in der Ausgabe 2/09 der Berliner DMSG-Zeitschrift „Kompass“ war unlängst zu lesen, dass das MS-Register „neben medizinischen Daten und sozialmedizinischen Daten auch die Mitgliedschaft in der DMSG“ enthalte. „Inzwischen sind Daten von mehr als 18.000 MS-Betroffenen dokumentiert.“ Wie bitte? Was haben Angaben zu einer Verbandsmitgliedschaft in einem medizinischen Register zu suchen? Erinnern wir uns – warum wurde das MS-Register ins Leben gerufen?
„Unter Federführung der Deutschen Multiplen Sklerose Gesellschaft (DMSG), Bundesverband e.V. wurde im Jahr 2001 ein MSRegister initiiert, das Querschnittsdaten zur Häufigkeit der Erkrankung und deren Unterformen in Deutschland liefern soll. Ferner erhofft man sich Aufschluss über die Verteilung innerhalb der einzelnen Schweregrade, den Einfluss der Erkrankung auf die Berufs- und Arbeitsfähigkeit und die Versorgung mit immunmodulierenden, symptomatischen und nicht medikamentösen Therapien“ (Deutsches Ärzteblatt vom 15. Februar 2008). Nach der Pilotphase wurde das Projekt fortgesetzt.
Da inzwischen Datensätze von zehntausenden Betroffenen vorliegen und da das Projekt europaweit ausgedehnt werden soll, stellen sich einige Fragen zum Inhalt und zur Transparenz des Registers: Wie ist der Datensatz aufgebaut? Sind wirklich alle Fragen erforderlich? Wo kann man den Datensatz und das MS-Register öffentlich einsehen? Wer hat Zugriff auf diese Daten? Wie sind sie vor Missbrauch und dem Zugriff durch Dritte geschützt?
Im Lichte des § 31 zu „Statistik
und Datensammlung“ der neuen
UN-Behindertenrechtskonvention
ist es unseres Erachtens erforderlich,
Daten unter Schutz der Privatsphäre
zu erfassen und sie
transparent sowie barrierefrei zugänglich
zu veröffentlichen. Und
gerade in Sachen Privatsphäre
scheint mir noch einiges im Argen
zu liegen, denn was würde man
wohl zu einem medizinischen Register
über Querschnittlähmungen
sagen, in dem abgefragt wird, ob
die Angehörigen Mitglied in einem
bestimmten Behindertenverband
sind?
HGH
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