Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/09



Das WarriorHeart-Programm
Meditation

Meditation, die den Geist auf die Atmung konzentriert, während man sich erdet, zentriert und den Körper zur Ruhe bringt, fördert den Energiefluss vom Universum durch den Meditierenden hindurch. Die SchülerInnen lernen, sowohl in sitzender als auch in stehender Meditation, die geistige und körperliche Entspannung, die automatisch Stress reduziert und Nervensystem und Gehirn ins Gleichgewicht bringt. Die Meditation ist zu einer als Standard verordneten Behandlung für das Herz und bei Krebs geworden; sie ist die Grundlage des WarriorHeart Programms. Die konzentrierte geistige Ausrichtung der Meditation wird allen anderen folgenden Aktivitäten zu Grunde gelegt.

Dehnübungen

In einer Haltung ruhiger Konzentration lernen WarriorHeart- SchülerInnen etwas über Flexibilität, Kraft und das Ausmaß von Bewegungen ihrer eigenen Körper. Sie lernen Techniken, wie sie den schwächeren Teilen ihrer Körper beibringen, von den stärkeren zu lernen. Indem sie diese Dehnübungen machen, lernen die SchülerInnen, MS vor Muskelschwund zu bewahren. Sie können direkt etwas gegen den Muskelabbau tun und indirekt Einfluss auf die MS nehmen. Durch die Übungen können sie in ein paar Wochen Verbesserungen sehen und fühlen. Unsere Lernenden berichten von einem Rückgang oder Verschwinden des Schmerzes und einer Abnahme der Häufigkeit und Stärke der Spastik, sowie von größerer Unabhängigkeit.

Zielgerichtete Bewegung

Indem sie den Körper ausrichten, ihr Gewicht zentrieren und sich darauf konzentrieren, in der Erde verwurzelt zu sein, sind die SchülerInnen allmählich in der Lage, ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen zu verlagern, ohne Gleichgewicht und Entspannung auch nur einen Moment zu verlieren. Veränderungen und Verbesserungen im Gleichgewicht passieren langsam, während neue Nervenbahnen sich durch den Prozess des neurologischen Restrukturierens entwickeln. Es kann Wochen und Monate des kontinuierlichen Übens brauchen, bis die Veränderungen sich bemerkbar machen. Unsere SchülerInnen berichten, weniger häufig zu stürzen und ihr Gleichgewicht schneller wiederzuerlangen

Tai Chi

Tai Chi ist ein altes chinesisches System der Gesunderhaltung und Selbstverteidigung, das sich einer Abfolge langsamer, entspannender Bewegungen bedient, die auf die Atmung, die Körperhaltung und die geistige Vorstellungskraft abgestimmt sind. Auf einer rein körperlichen Ebene ist das erklärte Ziel des Tai Chi-Praktizierenden, einen verstärkten Sinn von räumlicher Wahrnehmung, Wahrnehmung von Bewegung oder Körpergefühl sowie eine generelle Steigerung von Kraft, Gleichgewicht und allgemeinemWohlbefinden zu bekommen. Der Körper lernt allmählich durch disziplinierte Anwendung der Tai Chi-Bewegungen, sich mit bester Effizienz zu bewegen. Für diejenigen, die begrenzte Energie und Durchhaltevermögen haben, kann allein das größte Auswirkungen haben. Das bewusste Kontrollieren des Energiesystems des Körpers kann für jemanden eine bedeutende Steigerung der Qualität und der Bedeutung seines Leben im Schatten einer chronischen, schwächenden Krankheit bedeuten. Die Tai-Chi- Praxis erfordert die absolute Beachtung der Körper-Geist-Beziehung.

In fortgeschrittenen Stadien führen die von WarriorHeart gelehrten, abgewandelten Formen des Tai-Chi den/die Praktizierende(n) zu neuen Ebenen der Einsicht und Bestärkung des Körpergefühls. Für diejenigen, die von ihrer Krankheit mit einem Gefühl der Entfremdung von ihren Körpern zurückgelassen wurden, ist das vielleicht größte Geschenk von Tai Chi dasWieder-In-Kontakt-Bringen mit den besten Teilen ihrer selbst.

Auf emotionaler und spiritueller Ebene hat das Ausüben von Tai Chi bei denjenigen mit chronischen Erkrankungen ähnlich ermutigende Auswirkungen gehabt, nicht zuletzt hat es unter denen, die sich den Tai Chi Prinzipien verschrieben hatten, eine unterstützende spirituelle Gemeinschaft gefördert.

Tai Chi ist grundsätzlich eine Aktivität in Beziehung, obwohl es überall und jederzeit ausgeübt werden kann, allein oder in Gruppen. Die SchülerInnen müssen eine Beziehung zum Lehrer und zu den anderen SchülerInnen, zu ihrem eigenen Sinn von sich selbst und schließlich zum Universum aufbauen. Eine der meist geehrten Traditionen in der Kampfkunst-Gemeinschaft ist die kraftvolle, fast heilige Beziehung, die LehrerInnen und SchülerInnen und die SchülerInnen untereinander aneinander bindet. Über die Jahrhunderte hat diese Art der Beziehungen bewiesen, dass sie das Lernen beschleunigt und Depressionen, die unweigerlich eine schwierige Reise begleiten, ferngehalten und den jeweils gewählten, individuellen Lebensstil bereichert hat.

Am Ende konstituiert Tai Chi eine ganzheitliche Disziplin, die systematisch Gebiete anspricht, so wie es keine andere Therapieoder Behandlungsform beanspruchen kann. Eine alte Sage hat einmal festgestellt „Gehe mit der Krankheit, pflege ihre Gesellschaft, so wirst Du sie los.“ Die verdeckte Botschaft des Tai Chi ist, dass es keinen Gegner gibt. Der „Feind“ (d.h. die Krankheit) muss daher integriert werden und umdirigiert werden, anstatt bis hin zu einem erschöpfenden „Schach matt“ bekämpft zu werden. Die Kampfkünste enthalten eine wunderbare Metapher, um Konflikte aufzulösen, indem man sie auf-löst (resolving... by dissolving im Orig., d. Üb.) Mehr als auf alles andere, legt Tai Chi statt einer direkten Konfrontation das Hauptgewicht auf eine Tugend des Zurückziehens und Neutralisierens. Auf dieseWeise kann der Mensch, der an einer chronischen Krankheit leidet, lernen, diese zeitlosen Prinzipien auf die schwierigen Aufgaben des Alltagsleben anzuwenden.

Schlussbemerkung

Das WarriorHeart-Programm versucht den Lebenssinn und den Sinn für den Grund der Existenz wiederzuerwecken, der bei Menschen mit MS oder anderen chronischen Krankheiten oft verloren geht. Basierend auf demWerk von Milton Erickson und den Prinzipien des Tai Chi, werden den Warrior- Heart-SchülerInnen Techniken beigebracht, die es ihnen ermöglichen, eine andere Beziehung zu ihrem Körper aufzubauen. Als Ergebnis zeigen sie oft eine größere Flüssigkeit und Anmut in ihren Bewegungen, eine größere Ruhe, die daher rührt, dass sie es erreicht haben, ihren Körper und ihren Geist zusammenarbeiten zu lassen, und akzeptiert haben, dass die MS ganz einfach ein Teil ihres Leben ist, etwas, mit dem sie sich beschäftigen, wie es jeder Moment erfordert.

Die Prinzipien des Energie-Aufbauens, die dafür sorgen, dass Energie fließt und die Muster im Nervensystem wiederhergestellt werden, sind schwer zu erfassen. Um diese nicht erkennbaren Prinzipien sichtbar, spürbar, erfahrbar zu machen, benutzt WarriorHeart Bilder oder Szenen in der Vorstellung, um so Probleme neu zu definieren (to reframe im Orig., d. Üb) und um Geist/Körper/Seele in einer konzentrierten, zielgerichteten Aufmerksamkeit zu halten. Diese vorgestellten Szenen, zusammen mit den körperlichen Techniken, die durch die verschiedenen Komponenten des WarriorHeart-Programms bereitgestellt werden, liefern den Kontext, um die neuen neurologischen Erinnerungen und Pfade bei den WarriorHeart SchülerInnen herzustellen.

Der Originalartikel von Sanda M. Sylvester stammt aus: The Handbook of Ericksonian Psychotherapy, edited by Geary & Zweig, Phoenix, Arizona 2001

Übersetzung: Linna Treuheit unter Mitarbeit von Vicky Püllen und Lesley Dobson. Linna Treuheit ist als Peer-Counselorin der Stiftung LEBENSNERV tätig.

Bearbeitung: H.- Günter Heiden



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