Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 1/08
Pasquale Calabrese (Hg.)
Multiple Sklerose und Kognition.
Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2007,
113 S. 9,95 Euro,
ISBN: 978-3-13-133771-9

In 14 Kapiteln beschäftigen sich 19 AutorInnen mit kognitiven Aspekten bei MS. Dabei ist das Buch in drei übergeordnete Abschnitte eingeteilt: Zunächst geht es um Grundlagen, es folgen Ausführungen zur Diagnostik und schließlich werden Therapie, Rehabilitation und Lebensqualität thematisiert. Ein Sachverzeichnis am Ende des Werkes erleichtert das Auffinden bestimmter Begriffe.

Bei der Lektüre des Buches wird deutlich, dass kognitive Symptome bei MS lange Zeit unerforscht geblieben sind. Inzwischen geht man davon aus, dass bei mehr als 50 Prozent der MS-Betroffenen kognitive Störungen auftreten, wobei Männer häufiger betroffen sind als Frauen und Menschen mit einem progredienten (fortschreitenden) Verlauf häufiger als solche mit einem schubförmigen Verlauf. Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprobleme stehen dabei im Vordergrund.

Auch die Beziehungen von kognitiven Störungen zu anderen Krankheitsbildern oder Symptomen, die bei MS-Betroffenen häufig vorkommen, werden besprochen. So sind die Wechselwirkungen zwischen kognitiven Aspekten einerseits und Depressionen, der raschen Ermüdbarkeit (Fatigue) und Schlafstörungen andererseits noch nicht eindeutig geklärt. Als Leserin frage ich mich, ob manche Symptome, die als kognitive Störungen bezeichnet werden, nicht eher der Fatigue oder einer Depression zuzuschreiben sind.

Bezüglich der Therapie kognitiver Symptome bei MS gibt es noch keine standardisierten Behandlungsverfahren. Auch über die Wirkungen immunmodulatorischer Therapien auf diesen Symptomenkomplex weiß man bislang nicht viel. Die AutorInnen plädieren für eine psychologische Unterstützung der Betroffenen. Außerdem sprechen sie sich dafür aus, bei Forschungen das Augenmerk auf die Lebensqualität der Betroffenen zu legen. Dieses Kriterium halten sie für aussagekräftiger als die herkömmliche Orientierung an neurologischen Faktoren. Das subjektive Befinden der Betroffenen verstärkt in den Vordergrund zu stellen, halte ich für eine erfreuliche und sinnvolle Entwicklung. Dieses Fachbuch richtet sich vor allem an Menschen, die in der Therapie von MS-Betroffenen tätig sind. Für die Betroffenen selbst ist es mit vielen Fremdwörtern und angesichts sehr weniger gesicherter Erkenntnisse meiner Ansicht nach nur bedingt zu empfehlen.

Si





Flückiger, F. / Wüsten, G.
Ressourcenaktivierung.
Ein Manual für die Praxis.
Verlag Hans Huber Bern 2008,
ISBN: 3-456-84578-2, ca. 50 S.
14,95 Euro

Haben Sie schon einmal von „Ressourcenhotspots“ gehört? Dies sind „Quellen der Zufriedenheit und desWohlbefindens“ oder „Bereiche mit besonders hilfreichen Fähigkeiten und Fertigkeiten“. In der Therapie oder der Beratung, so Flückiger/Wüsten, gilt es, das Vertrauen der Ratsuchenden in die eigenen Handlungsfähigkeiten wiederherzustellen. Denn vorhanden sind diese Fähigkeiten oder Stärken auf jeden Fall. Mit ihrem „Manual“, das ich als „Handlungsanleitung“ übersetze, wollen die Autoren konkrete Möglichkeiten aufzeigen, wie die Ressourcen einer Person in bestehende Therapiekonzepte integriert werden können.

Der schmale Band, in dem Interventionen, Fallbeispiele und Arbeitsblätter vorgestellt werden, gliedert sich in drei Abschnitte: Zunächst wird kurz die „Ressourcenanalyse“ vorgestellt, dann folgt die „Ressourcenorientierte Gesprächsführung“ und abschließend werden die „Ressourcenaktivierenden Strukturinterventionen“ dargestellt.

Der Anspruch der Autoren ist es, „in möglichst verständlicher Alltagssprache“ zu schreiben, doch dies ist meines Erachtens leider nur an wenigen Stellen eingelöst, vor allem bei den Fallbeispielen oder den Fragen zurWeiterarbeit. In ihnen wird gut dargestellt, was Abkehr vom Defizitblick heißt:
„Herr G.: Ich fühle mich schon sehr oft alleine, außer einem Freund treffe ich selten jemand.
Defizitfokussierte Intervention:
Sie fühlen sich oft alleine und treffen selten jemand?
Ressourcenorientierte Intervention:
Was verbindet Sie mit diesem Freund?“
Hat man sich einmal daran gewöhnt, dass fast jedes dritte Wort (ich übertreibe) „Ressource“ lautet, dann kann der Band durchaus eine gute Hilfestellung für die eigene Arbeit in Therapie und Beratung leisten.

HGH





Rommelspacher, B. / Kollak, I.: Interkulturelle Perspektiven für das Sozial- und Gesundheitswesen.
Mabuse-Verlag Berlin 2008,
ISBN: 978-3-938304-99-0,
324 S., 30,- Euro

Ausgangspunkt des vorliegenden Titels ist die Tatsache, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, dies sind laut Mikrozensus 2006 immerhin 15,1 Millionen = 18,4 Prozent der Bevölkerung, im Sozial- und Gesundheitswesen auf zahlreiche Zugangsbarrieren stoßen, sprich: es ist alles fest in deutscher Hand! Doch für eine gleichberechtigte Teilhabe sowohl von KlientInnen oder auch Professionellen mit Migrationshintergrund muss sich einiges ändern: sowohl die eigene Einstellung als auch Strukturen von Organisationen.

Die Beiträge dieses Sammelbandes gehen auf mehrere Tagungen zurück, die die Alice-Salomon-Fachhochschule zusammen mit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin durchgeführt hat. Gebündelt werden sie in drei Bereichen: Erstens kommen die Analysen, etwa mit welchen „Visionen und Stolpersteinen“ die interkulturelle Öffnung verbunden ist. Zweitens werden Konzepte vorgestellt, etwa der niederländische Aktionsplan für eine interkulturelle psychosoziale Grundversorgung und drittens sind die Projekte an der Reihe, etwa die Erfahrungen der BOA Jugendund Drogenberatung für „Spätaussiedler“ aus den ehemaligen GUSStaaten.

Da die Stiftung LEBENSNERV derzeit eine kleine Studie im Bereich der Beratung von chronisch kranken und behinderten Menschen mit Migrationshintergrund durchführt (siehe Editorial), waren wir natürlich besonders neugierig auf die Texte. Unsere Neugier wurde reichlich belohnt – alle 16 Beiträge boten neue Einsichten und Perspektiven für unser Vorhaben, sodass an dieser Stelle kein weiterer Text besonders herausgehoben werden soll. Wünschenswert wäre es deshalb aus meiner Sicht, wenn das Buch Pflichtlektüre für alle Verantwortlichen im Gesundheits- und Sozialbereichwürde!

Kleines Manko am Rande: Ich hätte mir gewünscht, dass die Herausgeberinnen bei allen Beiträgen das genaue Entstehungsdatum vermerkt hätten. So bleibe ich als Leser etwas im Unklaren, wie aktuell der Text wirklich ist. Das ist aber auch mein einziger Kritikpunkt an diesem überaus empfehlenswerten Titel.

HGH






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