Stiftung LEBENSNERV, FORUM PSYCHOSOMATIK 2/06 |
Wer den Verbindungen zwischen Psyche, Nerven und Körper aus einer fundierten wissenschaftlichen Perspektive auf die Spur kommen möchte, kann jetzt druckfrisch ein Buch erwerben, das meines Erachtens die Voraussetzungen für ein „Standardwerk“ erfüllt:„Neuro-Psychosomatik“, so der kurz und bündig gehaltene Titel. „Neuro-Psychosomatik ist ein neuer Begriff für ein Feld“, so Mit-Herausgeber Peter Henningsen, „das seit über einem Jahrhundert aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet wird.“ Es geht um den Bereich, in dem sich Neurologie und Psychosomatik überschneiden, berühren, ergänzen.
Das Buch ist in drei (unterschiedlich große) Komplexe aufgeteilt und die darin enthaltenen Aufsätze werden von insgesamt 14 AutorInnen geliefert (erfreulich dabei ist die fast geschlechtsparitätische Verteilung!). Im ersten Teil geht es um die Grundlagen, also um die Geschichte der Neuro- Psychosomatik, um neurobiologische Grundlagen, um Psychotherapie und Gesprächsführung. Dabei wird der menschliche Organismus als ein „halboffenes, vernetztes, interaktives System“ betrachtet und eine „Beziehungsmedizin“ gefordert, die die ganze Beziehungsgeschichte einer Person in den Blick nimmt.
Im zweiten (und umfassendsten) Teil werden die unterschiedlichenneurologischen Leitsymptome behandelt
, darunter auch „Multiple Sklerose“ (Autor dieses Teiles ist übrigens Peter Henningsen, der
auch Jurymitglied bei der Stiftung LEBENSNERV ist). Ein kurzer dritter Teil zu den Konsequenzen für
die sozialrechtliche Begutachtung rundet das Werk ab. Zielgruppe des Werkes sind in
erster Linie psychosomatisch tätige ÄrztInnen und PsychologInnen, die ihr Wissen über neurologische
Krankheitsbilder vertiefen wollen und NeurologInnen, die konkrete Handlungsempfehlungen im Bereich
der Psychosomatik erhalten wollen. Wer jedoch die Theorie nicht scheut, kann auch als interessierte/
r Laiin/Laie Gewinn aus dem Titel ziehen.
HGH
Nachdem der Ärzte-Verlag bereits den Titel „Der gute Arzt im Alltag“ herausgebracht hat (vgl. FORUM PSYCHOSOMATIK 1/2005), liegt von ihm ein weiterer Titel in Sachen „Qualitätssicherung“ vor. Es geht um Initiativen zur stärkeren Beteiligung von PatientInnen im Gesundheitswesen und hauptsächlich um das Prinzip des „Shared Decision Making“ – „Partizipative Entscheidungsfindung“ im Verhältnis von ÄrztInnen und PatientInnen. Das Buch ist in drei Teile gegliedert: Im ersten Teil werden die Grundlagen der partizipativen Entscheidungsfindung (PEF) behandelt, im zweiten Teil wird die PEF aus unterschiedlichen Perspektiven (Gesundheitspolitik, PatientInnen- Organisationen, Krankenkassen, ÄrztInnen) betrachtet. Im dritten Teil kommen die WissenschaftlerInnen zu Wort, die die PEF in zehn Modellprojekten in den letzten Jahren umgesetzt haben.
Bei den vorgestellten Projekten ist aus unserer Sicht der Beitrag von Heesen (Preisträger beim 6.
Forschungspreis der Stiftung LEBENSNERV), Kasper u.a. interessant, der sich mit PEF bei Multipler
Sklerose befasst und ein PatientInnen- Schulungsprogramm am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf
vorstellt. Dabei sollen die Betroffenen über ein breit angelegtes Informationsprogramm
mehr Wissen erhalten und so eine aktivere Rolle im Umgang mit ihrer Erkrankung,
unter anderem bei Therapieentscheidungen, einnehmen. Sie sollen außerdem mehr Einblick in die
Methoden klinischer Forschung bekommen, um so selbstbestimmter über eine Teilnahme an Studien
entscheiden zu können.
HGH
In diesem Buch beschreiben der „erfahrene Gestalttherapeut Erhard“ und der „beinharte Theoretiker
Stefan“, worum es bei der Gestalttherapie geht. Der Titel ist als Einführung für angehende KlientInnen
und GestalttherapeutInnen gedacht. Nach einer kurzen Einführung dürfen wir Erhard über die
Schulter schauen und haben zunächst auf 20 Seiten schöne Einblicke in seine therapeutische Arbeit.
Danach geht es ab in „Erhards Zettelkasten“, in dem auf 15 Seiten Stichworte und Hintergründe zur
Gestalttherapie („Sprache der Ehr-furcht“, „Dankbarkeit für das Wichtigste“ etc.) aufgeführt werden.
Dieser Teil ist locker und einfach, leicht verständlich gehalten. Die nächsten 35 Seiten zur Theorie
aber sind wirklich hart, beinhart und wohl kaum als Ersteinführung geeignet, wenn man sich als
KlientIn für die Gestalttherapie interessiert – für angehende Gestalttherapeuten ist der Teil jedoch
unverzichtbar. Den Schluss bilden Tipps für Interessierte an Therapie oder an
der Ausbildung, sowie ein kleine Geschichte der Gestalttherapie.
HGH
Der Begriff „Themenzentrierte Interaktion“ hört sich ziemlich technokratisch und kommunikationstheoretisch an, kein Wunder, dass man häufiger die harmloser klingende Abkürzung TZI liest. Dabei geht es um ein sehr schönes und hilfreiches Gruppenverfahren, das Mitte der 60er Jahre des letztes Jahrhunderts von Ruth Cohn entwickelt wurde und aus den Erkenntnissen der Psychoanalyse und den Erfahrungen der Gruppentherapie entstanden ist.
Zentrales Anliegen ist das „Lebendige Miteinander Lernen“, was meines Erachtens ein ungleich besserer Name wäre. Löhmer/Standhart beschreiben ein solches Lernen als ein „ganzheitliches Lernen“, mit dem Ziel, „sich selbst und andere so zu leiten, dass die wachstumsfördernden und heilenden Anlagen im Menschen angeregt und gefördert werden, nicht aber die stagnierenden und krankmachenden Tendenzen“.
Wie das genau funktioniert, zeigen sie am Beispiel ihrer Figur Inge, die als VHS-Mitarbeiterin als
Bildungsurlaub einen TZI-Kurs macht. Und wer sich nach der Lektüre dann auch selbst für eine TZI-Ausbildung interessiert, bekommt hilfreiche Tipps zum Schluss des kleinen Bändchens. Eine wirklich
gut gelungene Einführung, wie ich finde!
HGH
Die Kanadierin Eva Marsh erlebte schon mit acht Jahren die ersten MS-Symptome. Sie war zeitweise halbseitig gelähmt, blind, litt heftige Schmerzen, konnte kaum laufen und vieles mehr. Aber sie gab nie auf. Die Mutter von zwei Kindern kämpfte gegen das medizinische System und die verbreiteten Vorurteile, dass es keine Hoffnung für sie gäbe. Sie war und ist immer davon überzeugt, durch Selbstheilungskräfte und Training auch schwerwiegende Symptome wieder rückgängig machen zu können. Das gelingt ihr tatsächlichnach jedem Schub.
Eva Marsh hat ein Buch über ihren Weg mit der Krankheit geschrieben. Dabei betont sie „Dieses
Buch ist meine Geschichte“. Sie beschreibt leicht lesbar, spannend und gut verständlich ihr
Leben mit der Krankheit mit all den durchlebten Höhen und Tiefen. Sie bleibt bei sich und schildert, wie
sie Situationen erlebt hat, was ihr geholfen, was sie verletzt hat. Mit keinem Wort erhebt sie den Anspruch,
einen allgemein gültigen Heilungsansatz für die Multiple Sklerose entdeckt zu haben, was
ich als sehr angenehm empfinde. So handelt es einfach um ein Buch, das ich gerne gelesen habe
und nur empfehlen kann. Es ist ein Buch, das Mut macht, ohne gleichzeitig weniger erfolgreichen Betroffenen
Schuldgefühle zu vermitteln. Schön, dass das Werk jetzt auch in deutscher Sprache erhältlich ist!
Si
„Es wird immer gleich ein wenig anders, wenn man es ausspricht.“ Mit diesem Zitat aus Hermann
Hesses „Siddharta“ beginnt Helga Kühn-Mengel, die PatientInnenbeauftragte der Bundesregierung,
ihr Geleitwort zu diesem Buch. Aufschreiben, das heißt auch festhalten, darstellen, verstehen,
zweifeln. Aufschreiben ist Konfrontation mit dem Geschehen, ist nicht Wegsehen und kann
auch „Selbsthilfe“ sein. Um diese Form der Selbsthilfe zu unterstützen, hatte die DMSG
und der Berliner Frieling-Verlag im April 2005 einen Schreibwettbewerb ausgrufen – 153 Einsendungen
hat der Verlag in der Folge erhalten. Die zwölf besten Beiträge,
ausgewählt von einer Jury, sind im vorliegenden Band versammelt.
Meist sind es kurze Geschichten aus der Ich-Perspektive, teils satirisch,teils als Erlebnisbericht geschrieben,
eingestreut ist aber auch eine Montage aus Gedichten und nachdenklichen Zwischentexten.
HGH
„Der Stuhl des Manitou“ (vgl. FORUM PSYCHOSOMATIK 2/2004) war sein erster Streich in
Sachen „Behinderten Cartoons“ und der befindet sich mittlerweile in der dritten Auflage!!! Nun
macht sich Phil Hubbe selber Konkurrenz und legt seinen zweiten Band „Der letzte Mohikaner“ vor.
Auf 64 Farbseiten geht es wieder um seine rabenschwarze Sicht der Dinge: Warum Rollis Fußgängerzonen
hassen, wo Napoleon seinen Inkontinenzbeutel verbarg oder warum die Schienen im
Bahnhof doch kein so gutes Blindenleitsystem sind. Auch die zweite Folge der Cartoons
ist absolut zu empfehlen – bleibt nur die erwartungsvolle Frage an den Zeichner, der nicht
nur mit der Diagnose MS lebt, sondern nach eigenen Angaben auch noch Magdeburger, Ehemann und
Vater ist, wann die nächste Folge kommt.
HGH
„Da hat ja mal wer eine gute Idee gehabt“, könnte man sagen, wenn man das Hotel „Haus Rheinsberg“ in Brandenburg gesehen hat – über 100 Zimmer durchgehend rollstuhlgerecht gebaut, berollbare Sauna und Kegelbahn, eine Kutsche mit Rampe – was will man mehr? Der Hotelkomplex der Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin ist schon eine runde Sache – aber was kaum jemand weiß: die Idee dazu hat nicht eine einzige Person gehabt, sie entstammte vielmehr einer „Zukunftswerkstatt“, die im Jahr 1991 zum 75jährigen Stiftungsjubiläum stattfand.
Zukunftswerkstätten sind laut Definition ein „soziales Problemlösungsverfahren“, wobei „methodisch kreativ“ in Gruppen gearbeitet wird und in der drei aufeinander folgende Arbeitsphasen unterschieden werden:
Beschwerde- und Kritikphase:
Dabei geht es darum, den Wunsch den realen Gegebenheiten gegenüberzustellen und
das Potenzial denkbarer Umsetzungen auszuloten, bis es am Ende ein neues Projekt wird.
Erfunden wurde der Ansatz der Zukunftswerkstatt von Robert Jungk. Die AutorInnen Kuhnt und
Müllert stellen im vorliegenden Buch (mit umfassendem Praxisteil) dar, wie man als ModeratorIn Zukunftswerkstätten
anleiten kann. Während die Methode der Zukunft swerkstatt im politischen, ökologischen
und kommunalen Bereich häufig angewandt wird, steckt sie im Gesundheits- und Medizinbereich
noch stark in den Kinderschuhen. Wir hoffen, dass dies demnächst anders wird, wenn
viele Verantwortliche das Buch durchgearbeitet haben und es auf ihr Arbeitsgebiet anwenden – das
„Haus Rheinsberg“ zeigt, dass Zukunftswerkstätten auch „funktionieren“!
HGH
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