Stiftung LEBENSNERV, FORUM PSYCHOSOMATIK 2/06 |
In einer Meta-Analyse fanden ForscherInnen um David C. Mohr von der Universität von Kalifornien heraus, dass die Wahrscheinlichkeit eines MS-Schubes nach psychosozialem Stress zunimmt. Dieser Zusammenhang erwies sich als hochsignifikant. Die ForscherInnen haben 14 Studien aus den Jahren 1982 bis 2003 in ihre Analyse einbezogen und ihre Ergebnisse 2004 veröffentlicht. Die AutorInnen betonen, dass sowohl die zugrunde liegenden Wirkmechanismen als auch der Effekt verschiedener Stressformen unbekannt sind und plädieren deshalb für weitere Forschungen.
Wir als Stiftung LEBENSNERV freuen uns über die Ergebnisse dieser Studie, da sie eindeutig die Verbindung zwischen Stress und MS-Schüben belegen und hoffentlich nicht folgenlos bleiben. Für viele MS-Betroffene ist dieser Zusammenhang nicht neu: Beim Betrachten der eigenen Krankheitsgeschichte haben viele eine Verbindung gesehen zwischen einer belastenden Situation im Arbeitsleben oder einer Krise in der Partnerschaft oder dem Tod einer nahe stehenden Person oder anderen schwierigen Lebensumständen und dem Auftreten von MS-Symptomen. Nur bei vielen NeurologInnen stießen sie bislang mit solchen Beobachtungen auf taube Ohren: „Das hat damit nichts zu tun“, hieß es oft.
Jetzt ist der Zusammenhang auch für die größten SkeptikerInnen erwiesen, und das eröffnet neue Perspektiven sowohl für die Forschung als auch für die einzelnen Betroffenen: ForscherInnen können sich mit den unbeantworteten Fragen aus der Meta-Analyse beschäftigen. Und wir Betroffenen können bei uns selbst forschen, denn es ist ja nicht das belastende Ereignis, das einen Schub auslöst, sondern es ist unsere Reaktion darauf. Also können wir schauen, welchen Lebensumständen ein Schub folgte, welchen anderen schwierigen Ereignissen aber nicht. Was war in dem einen Fall anders als in dem anderen? Vielleicht können wir solche Fragen auch mit professioneller Hilfe von TherapeutInnen klären. Eventuell können wir auch lernen, mit belastenden Situationen anders umzugehen und einenSchub möglicherweise zu verhindern.
Mein Wunsch an NeurologInnen ist es, Menschen mit MS zuzuhören, sie ernst zu nehmen und auf ihrem individuellen Weg zu unterstützen. Vielleicht spüren die Betroffenen einen Zusammenhang, der erst in vielen Jahren wissenschaftlich nachgewiesen wird.