Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 1/00

Teil 3: "Psychosomatische Behandlungsmethoden" von Reinhard Plassmann

2. Die Arbeit mit der eigenen Person und der Institution als Behandlungsinstrument

Psychosomatisch zu denken, heißt Symptome nicht nur durch ihre Verursachung, sondern vor allem durch ihre Bezogenheit zu erklären. Symptome haben nicht nur einen pathophysiologischen Aspekt, wie dies Bräutigam ausdrückt. Sie sind Ausdruck, Sprache, Mitteilung und Lösungsversuch. Es handelt sich dabei allerdings um Subjektives, um Latentes, also um Unbewusstes, was zum Ausdruck kommt. Wenn wir uns für diesen Aspekt der Krankheit öffnen wollen, müssen wir therapeutische Situationen konzipieren, in denen sich die unbewusste Thematik des Patienten entfalten kann. Da wir unsere Weiterbildung hier im stationären Rahmen abhalten, möchte ich der Frage nachgehen, wie sich Kliniken konzipieren können, um mit dem unbewussten Thema der Patienten in einen therapeutischen Dialog zu kommen.

Hierfür wurden mehrere Konzepte entwickelt, von denen ich Ihnen das wichtigste, meistpraktizierte vorstellen möchte.

Das integrative Modell (Janssen 1987)

Der namensbildende Begriff der Integration bezeichnet sowohl eine konkrete Arbeitsstruktur als auch ein dahinterstehendes psychologisches Konzept. Jedes Mitglied des integrierten Teams soll seine eigene, gut definierte Beziehung zum Patienten haben mit spezifischen Funktionen versorgender, administrativer und auch analytischer Art. In der Teamarbeit können sich die einzelnen Teammitglieder über verschiedene, evtl. aufgespaltene Übertragungsaspekte austauschen und unter Leitung eines Beraters zu einer Reintegration gelangen. Das therapeutische Team wird als Struktur verstanden, die eine im ich-psychologischen Sinn integrative Funktion ausübt, dies dem Patienten gegenüber auch offen vertritt und damit auch zum Symbol integrierender und reflektierender Ich-Funktionen wird.

Der integrative Ansatz ermöglicht eine große Vielfalt der Rollendefinition. Jeder Mitarbeiter kennt seine versorgenden, administrativen und seine analytischen Aufgaben. Die einzelnen Teammitglieder können sich deshalb als verschiedenartig, aber gleichwertig verstehen. Dies erleichtert die Einbeziehung von nicht ausschließlich sprachgebundenen analytisch orientierten Selbsterfahrungsmethoden, z. B. Gestaltungstherapie, Musiktherapie oder konzentrativer Bewegungstherapie. Dem Team steht damit eine ganze Skala von „Sprachen“, das heißt von Symbolisierungssystemen zur Verfügung, mit denen es flexibel auf das jeweilige „Sprachniveau“ der Patienten reagieren kann.

Die Symbolisierungsfähigkeit der Patienten vom Körpersymbol bis zum Sprachsymbol wird als Entwicklungsreihe verstanden und vom Team aufgegriffen und berücksichtigt. Meist ist damit auch eine Modifikation der Regressionstiefe verbunden: die therapeutischen Methoden auf eher frühem Sprachniveau (Körperselbsterfahrung) werden mehr als stützende einleitende, nicht übermäßig regressionsfördernde Methoden konzipiert. Die sprachgebundene Selbsterfahrung in der Gruppe oder in der Einzeltherapie hingegen kommt mit weniger supportiven Elementen aus. Sie ermöglicht mehr Regression und wird deshalb primär bei einem stabileren, das heißt neurotisch strukturierten Patienten eingesetzt oder bei einem Patienten, der sich im Verlauf seiner Behandlung gut stabilisiert hat.

Der integrative Ansatz bedeutet kurzgesagt: Die Behandlung findet nicht in der Klinik, sondern mit der Klinik statt.

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